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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Laune sich durch den Weg nicht gebessert hatte.
    »Ich denke doch irgendwo in der Nähe?« forschte Charlotte.
    »Ach was, nix in der Nähe«, sagte Mr. Claypole. »Verstanden, nicht in der Nähe, und damit gut.«
    »Du brauchst doch nicht gleich alles so krumm zu nehmen«, warf ihm seine Begleiterin vor.
    »Ja, das wäre das Richtige, in die erste beste Kneipe einkehren und dort pappen bleiben, damit Sowerberry, wenn er uns nachfährt, uns gleich mit Handschellen wieder heimschaffen kann, was?« sagte Mr. Claypole höhnisch. »Nein, in den allerverstecktesten Gassen, die ich finden kann, werd ich mir eine Kneipe suchen. Übrigens hast du alle Ursache dankbar zu sein, daß ich so einen gescheiten Kopf hab: ein andrer hätte nicht, wie ich, erst die verkehrte Landstraße und dann erst die richtige eingeschlagen. Hätten wir’s anders gemacht, wärst du jetzt schon acht Tage fest und angebunden. Übrigens, recht wär’s dir geschehen, du Schaf.«
    »Ich weiß ja, daß ich nicht so schlau bin wie du«, erwiderte Charlotte, »aber gib mir doch nicht alle Schuld und sag nicht, daß bloß ich eingesperrt worden wär. Dich hätten sie auch eingesperrt, gerad so wie mich.«
    »Du hast das Geld aus dem Kasten genommen, oder weißt du das vielleicht nicht?« schimpfte Mr. Claypole.
    »Ich hab’s für dich genommen, lieber Noah«, versetzte Charlotte.
    »Hab ich’s vielleicht behalten?« fragte Claypole dagegen.
    »Nein, du hast es mir anvertraut und läßt es mich tragen, wie’s sich für einen Bräutigam gehört, – und das bist du doch auch, Noahchen«, sagte das Mädchen und kraulte ihn unter dem Kinn, wobei sie ihren Arm durch den seinigen schob.
    Ohne haltzumachen, setzte Mr. Claypole seinen Marsch fort, bis er am Engel in Islington vorbeikam. Das Gewühl von Fuhrleuten und Fahrgästen sagte ihm, daß sie am Anfange Londons angelangt seien. Er machte eine kurze Rast und schritt dann hinüber nach Saint Johns Road, und bald befanden sie sich in dem Dunkel der verschlungenen und schmutzigen Gassen, die zwischen Gray’s Inn Lane und Smithfield liegen und diesen gemeinen Stadtvierteln ihren Charakter aufprägen. Bald traten sie in dieses Gewinkel hinein, und Noah Claypole musterte sorgsam die kleinen Gast- und Einkehrhäuser, die dort lagen. Dann stolperte er wieder weiter, wenn etwas im Äußern des betreffenden Hauses darauf schließen ließ, es sei für seine Zwecke zu gut besucht und zu voll. Schließlich blieb er vor einem Gasthaus stehen, dessen Außenseite noch schmutziger war als die der übrigen, die er bisher gesehen. Er ging über die Straße hinüber und nahm es vom entgegengesetzten Pflaster aus in Augenschein und gab dann huldvoll seine Absicht zu erkennen, hier zu übernachten.
    »Gib mir das Bündel her«, befahl er, hob es dem Mädchen von den Schultern und lud es sich auf die eigenen. »Den Mund gehalten, verstanden, außer du wirst gefragt. Wie heißt dieses Haus, kannst du’s lesen: Drei – was?«
    »Krüppel«, buchstabierte Charlotte.
    »Drei Krüppel«, wiederholte Noah. »Ein feiner Name, was! Marsch jetzt, bleib mir nicht so dicht auf den Fersen.« Damit stieß er die knarrende Haustüre mit der Schulter auf, trat ein, und seine Begleiterin folgte ihm.
    In der Schenke war niemand als ein junger Jude, der, beide Ellbogen auf den Trinktisch gestützt, in einem schmutzigen Zeitungsblatt las. Er musterte Noah mit scharfem Blick und Noah ihn desgleichen.
    »Ist dies die Schenke zu den drei Krüppeln?«
    »No natierlich«, versetzte der Jude.
    »Ein Herr, den wir getroffen haben auf unserm Weg vom Land nach London, hat uns hierher empfohlen«, sagte Noah und nickte Charlotte zu, um ihr einzuschärfen, sie solle nicht am Ende ein verwundertes Gesicht machen. »Wir wünschen hier zu übernachten.«
    »Ich weiß nicht, ob sich das wird machen lassen«, sagte Barney – das war der Jude –, »jach werd mer erkundigen.«
    »Wo ist hier die Gaststube? Geben Sie uns ein Stück kaltes Fleisch und einen Schluck Bier. Haben Sie verstanden!« sagte Noah.
    Barney gehorchte und schob sie in einen kleinen rückwärtigen Raum, die verlangte Speise vor sie hinsetzend. Dann brachte er ihnen die Nachricht, sie könnten hier übernachten, und überließ das junge Paar sich selbst.
    Die Hinterstube stieß unmittelbar an die Schenke und lag um ein paar Stufen tiefer, so daß man von draußen, ohne selbst bemerkt zu werden, jeden Gast durch einen Vorhang und einen in die Wand der Gaststube eingelassenen einflügeligen

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