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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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flüchtiges Grinsen überflog sein listiges Gesicht. Dann nahm er die Schöße seines langen Rocks unter dem Arm zusammen, schlug sich ein paarmal bedeutungsvoll auf die Nase, drehte sich auf dem Absatz um und schlich, von Charley Bates gefolgt, stumm durch den Hof davon. Nicht lange darauf schritten beide die knarrenden Stufen zu dem alten Philanthropen empor, der gerade, über seinen Herd gebeugt, ein kleines Stück Brot und ein Würstchen in der Linken und ein Taschenmesser in der Rechten, vor sich auf einem Schemel einen zinnernen Krug, dasaß, während ein schurkisches Lächeln sein fahles Gesicht überzog. Gespannt horchte er bei dem Geräusch auf und zog seine dichten roten Augenbrauen zusammen.
    »Hallo, was ist das«, murmelte er und wurde totenblaß. »Nur zwei? Was soll das heißen? Soll da was faul sein?«
    Die Fußtritte kamen immer näher, erreichten die Schwelle, die Türe ging leise auf, und der Baldowerer und Charley Bates traten ein.

DREIZEHNTES KAPITEL
    Einige neue Personen werden vorgestellt
     
    »Wo ist Oliver?« rief der Jude und stand mit drohender Miene auf. »Wo ist der Lausbub?«
    Die beiden jungen Taschendiebe blickten ihren Lehrmeister betreten an, warfen sich dann einen unsichern Blick zu und schwiegen.
    »Also, was is geworden aus dem Jüngel?« fragte der Jude und packte den Baldowerer wütend beim Kragen. »Eraus damit, oder ich erdrossel euch.«
    Es schien ihm mit seiner Drohung fürchterlich ernst zu sein, und Charley Bates retirierte an die Wand, sank dann in die Knie und erhob ein lautes langandauerndes Geheul.
    »Also eraus damit«, kreischte der Jude und schüttelte den armen Baldowerer derart, daß er fast aus seinem Rock herausgeschleudert wurde.
    »No, zum Teufel, erwischt haben sie ihn halt«, sagte der Baldowerer mürrisch. »Aber jetzt lassen Sie mich endlich los.« Dabei riß er sich mit einem Ruck aus seinem weiten Kittel, den der Jude in den Händen behielt, erfaßte die Röstgabel und machte einen heftigen Ausfall auf die Weste des alten Philanthropen, der, wenn er nicht glücklicherweise daneben gegangen wäre, böse Folgen hätte nach sich ziehen können.
    Mit einer Behendigkeit, die man ihm nicht zugetraut haben würde, fuhr der alte Jude zurück, packte einen Krug und wollte ihn gerade dem Baldowerer an den Kopf werfen, als eine Stimme rief:
    »Ja, Himmel Herrgott Donnerwetter, was ist denn heut hier los! Wer schmeißt denn da nach mir?« – der Krug hatte nämlich einen vierschrötigen, ungefähr fünfunddreißig Jahre alten Mann in einem Samtrock mit weiten grauen Hosen, halblangen Schnürstiefeln und grauen Baumwollstrümpfen, der eben hereingetreten war, vor die Brust getroffen. Der Mann besaß ein paar wuchtige Beine, die den unbestimmten Eindruck auf den unbefangenen Zuschauer machten, als fehlte irgendein Schmuck daran, vielleicht eine Art Garnitur von Gefängnisketten oder Zuchthausfesseln. Auf dem Kopf trug er einen braunen Hut und um den Hals ein schmutziges buntseidenes Tuch, mit dessen langen ausgefranstenZipfeln er sich während seiner Worte das Bier, das aus dem Krug ihm ins Gesicht gespritzt war, abwischte. Als er damit fertig war, kam ein breites plumpes Gesicht zum Vorschein mit ein paar wilden Augen, von denen das eine wahrscheinlich von einem jüngst erlittenen Schlag gelb und blau war.
    »Herein mit dir, verdammte Bestie«, brummte dieser liebenswürdige Gentleman über die Schulter, und gleich darauf schlich sich ein weißer zottiger Köter mit Bißnarben am ganzen Körper in die Stube. »Bißchen dalli, ja? verdammtes Vieh; wirst wohl langsam zu stolz, um deinen Herrn zu respektieren? Kusch dir.«
    Der Befehl wurde von einem Fußtritt begleitet, der den Hund bis ans andre Stubeneck beförderte, woraus sich dieser aber nicht viel zu machen schien, denn er zwinkerte nur grimmig mit seinen bös dreinblickenden Augen und fing an, das Zimmer zu beschnuffeln.
    »Also, was ist mit dir los? Behandelst wohl deine Jungens schlecht, alter Filz?« brummte der Mann und setzte sich bedachtsam nieder. »Wundert mir bloß, daß sie dir nicht längst totjeschlagen haben. Ick an ihrer Stelle hätt es längst jetan. Allerdings, verkaufen hätte ich deine schäbigen Überbleibsel nich können, höchstens daß se dir uf der Anatomie deiner Schönheit wegen in Spiritus jesetzt hätten.«
    »Still, still, Mr. Sikes«, sagte der Jude zitternd, »sprechen Sie nicht so laut.«
    »Ach was ›Mr.‹ – hier wird nicht gemistert«, knurrte der Strolch. »Du hast immer

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