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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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bedächtigen langen Blick auf Oliver und machte sofort ein höchst bestürztes Gesicht, denn Oliver sah eher aus wie ein Schatten, als wie ein lebender Junge, und bei seinem Versuch, seinen Wohltäter zu begrüßen, sank er vor Schwäche wieder in seinen Stuhl zurück. Mr. Brownlow, dessen Herz so weit war, daß es für mindestens sechs alte philanthropisch gesinnte Herren ausgereicht hätte, traten sofort die Tränen in die Augen.
    »Armer Junge, armer Junge«, murmelte er und räusperte sich, um seine Rührung zu verbergen. »Ich bin wieder schrecklich heiser heute morgen, Mrs. Bedwin. Ich fürchte, ich habe mich erkältet.«
    »Ich will doch nicht hoffen, Sir«, sagte Mrs. Bedwin. »Ich habe mich selbst überzeugt, daß Ihre Kleider, bevor Sie sie anzogen, ganz trocken waren.«
    »Ich weiß, ich weiß, Mrs. Bedwin«, beschwichtigte Mr. Brownlow. »Aber ich fürchte, die Serviette gestern mittag muß ein wenig feucht gewesen sein. Doch lassen wir das. Wie geht es dir, Kleiner?«
    »O, ich bin so glücklich, Sir«, antwortete Oliver, »undbin Ihnen so von Herzen dankbar für all das Gute, das Sie mir erwiesen haben, Sir.«
    »Braver Junge«, sagte Mr. Brownlow stolz und würdig. »Haben Sie ihm denn auch etwas Gutes zu essen gegeben, Mrs. Bedwin? Doch nicht etwa Wassersuppe?«
    »Soeben einen Teller schöne kräftige Fleischbrühe, Sir«, antwortete Mrs. Bedwin ein wenig gekränkt, daß man ihr zumutete, sie werde dem Patienten Wassersuppe reichen.
    »Brrrr«, sagte Mr. Brownlow mit einem leichten Schauder, »ein paar Gläser Portwein wären noch viel besser gewesen, was meinst du, Tom White?«
    »Ich heiße Oliver, Sir«, antwortete der kleine Patient und sah Mr. Brownlow erstaunt an.
    »Oliver?« wiederholte Mr. Brownlow. »Oliver? Oliver White also.«
    »Nein, Sir. Twist, Oliver Twist.«
    »Kurioser Name«, rief der alte Herr. »Weshalb hast du denn dem Kommissär gesagt, du hießest White?«
    »Das habe ich ihm nicht gesagt, Sir«, antwortete Oliver erstaunt.
    Das klang so offenkundig wie eine Lüge, daß der alte Herr Oliver erstaunt anblickte, aber das Gesicht des kleinen Patienten trug so offen den Stempel der Wahrheit, daß Mr. Brownlow sofort jeden Zweifel fallenließ.
    »Also ein Irrtum«, brummte er. Dann plötzlich sah er den Kleinen wieder starr an, der Gedanke an eine Ähnlichkeit mit einem Gesicht, das er irgendwo gesehen, drängte sich ihm übermächtig auf.
    »Sie sind doch nicht böse auf mich, Sir?« fragte Oliver schüchtern.
    »Nein, nein«, rief der alte Herr schnell. »Gott, was sehe ich«, setzte er schnell hinzu. »Bedwin, schauen Sie doch nur!«
    Dabei deutete er hastig auf das Porträt, das über Olivers Kopf hing, dann auf dessen Gesicht. Eins war die Kopie des andern: Augen, Kopf, Mund, kurz jeder Zug: derselbe. Die Ähnlichkeit war so frappant, daß man wirklich verdutzt sein mußte.
    Oliver konnte sich den Grund der plötzlichen Erregung des alten Herrn nicht erklären, es brauste ihm in den Ohren, alles drehte sich um ihn, und schwach, wie er von der überstandenen Krankheit war, sank er in Ohnmacht.
     
    Als der Baldowerer und Master Charley Bates sich unter dem Ruf »Haltet den Dieb« der Hetzjagd angeschlossen, bogen sie plötzlich in ein Gewirr von engen Gassen und Höfen ab und blieben schließlich atemlos in einem niedrigen finsteren Torflur stehen. Dann platzte Charley Bates in einem brüllenden Gelächter heraus, ließ sich auf eine Türstufe fallen und wälzte sich außer sich vor Vergnügen hin und her.
    »So hör doch schon auf, dummes Luder«, brummte der Baldowerer und blickte sich scheu um.
    »Ich kann mich nicht halten, hohoho«, brüllte Charley. »Wie er so dahingesaust ist und alle Augenblicke angeprallt ist gegen einen Laternenpfahl, grad als ob er auch aus Eisen wär – hohoho – und ich mit dem Riegerlappen im Sack – hohoho –«, und wieder wälzte sich Master Bates vor Lachen auf der Türschwelle.
    »Was meinst du wohl, was wird Fagin sagen?« fragte der Baldowerer.
    »Na, was soll er denn sagen?«
    »Ja eben, das ist’s doch.«
    »Meinst du, er wird was sagen?« fragte Master Charley und hielt in seiner Heiterkeit plötzlich inne, denn das Benehmen seines Kollegen wirkte beängstigend auf ihn.
    Mr. Dawkins pfiff ein paar Sekunden durch die Zähne, dann nahm er den Hut vom Schädel, kratzte sich und nickte bedenklich.
    »Na, so sag, was du meinst«, drängte Master Charley.
    »Ach was, kann mir schließlich auch Wurst sein«, brummte der Baldowerer, und ein

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