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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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’ne besondere Jemeinheit vor, wenn du anfängst, den Menschen zu bemistern. Du kennst doch meinen Namen; also keine langen Schmonzes.«
    »Na, also gut: Bill Sikes«, sagte der Jude demütig, »Sie scheinen heite nicht gut gelaunt zu sein, Bill.«
    »Kommt mir auch so vor«, brummte Sikes. »Sie scheinen übrigens auch nicht bester Laune zu sein; wenigstens wüßte ich nicht, weshalb da sonst hier Bierkrüge rumfliegen. Sie tun ja rein, als ob schon alles ans Licht gekommen wäre.«
    »Sind Sie toll!« fuhr der Jude auf, packte Sikes am Ärmel und deutete auf die beiden Jungen.
    Der Strolch begnügte sich damit, sich pantomimisch einen Strick um den Hals zu legen – ein Gebärdenspiel, das der Jude genau zu verstehen schien –, und verlangte dann höchst nachdrücklich in unverständlicher Gaunersprache, man solle ihm ein Glas Schnaps kredenzen.
    »Aber gefälligst kein Gift einschütten«, setzte er hinzu und legte seinen Hut auf den Tisch.
    Er schien im Scherz gesprochen zu haben; hätte er aber den bösen Blick gesehen, den der Jude ihm zuwarf, wie er sich an seinem Schranke umdrehte, würde er seine Warnung gewiß nicht für ganz unnötig gehalten haben. Nachdem er sodann ein paar Gläser Schnaps in der Eile hinter die Binde gegossen, fing er an, von den beiden jungen Gentlemen näher Notiz zu nehmen, und ließ sich von ihnen den Verlauf von Olivers Verhaftung umständlich erklären.
    »Ich fürchte«, jammerte der Jude, »er wird da Sachen erausplauschen, die uns in das größte Schlammassel bringen können.«
    »Sie scheinen ja eine Mordsangst zu haben«, höhnte Sikes mit boshaftem Grinsen. »Sie sind ja schon halb tot vor Angst, Fagin.«
    »Sehen Sie, ich wieder nicht«, erwiderte der Jude, »ich fürcht bloß, daß noch ganz andre Leinte als ich in den Saft ereinkommen, lieber Freind.«
    Der Strolch stutzte und fuhr auf. Der alte Herr hatte jedoch seine Schultern bis zu den Ohren heraufgeschoben,spielte sich auf den Zerstreuten und blickte nur starr an die Wand.
    Es trat eine lange Pause ein. Jeder einzelne saß tief in Betrachtungen versunken – sogar der Hund, der boshaft, seine Schnauzhaare leckend, nachzugrübeln schien, wem er wohl zuerst an die Beine fahren dürfte. »Wir müssen herausbaldowern, was bei der Polizei vorgegangen ist«, sagte Mr. Sikes viel leiser, als er bisher gesprochen.
    Der Jude nickte beistimmend. »Wenn er nicht geschwätzt hat und eingesperrt ist, ist’s weiter nicht gefährlich, bis er wieder draußen ist«, sagte Mr. Sikes, »aber dann müssen wir ihn sofort zu packen kriegen. So oder so.«
    Der Jude nickte.
    Der Rat war offenbar gut, nur die Ausführung schien schwierig, da sie alle vier eine unüberwindliche Abneigung an den Tag legten, sich in die Nähe der Polizeiwachstube zu begeben. Verlegen blickten sie einander an, da traten die beiden jungen Damen ein, deren Bekanntschaft Oliver vor einigen Tagen gemacht hatte. »Nu also da hamersch ja«, sagte der Jude. »Betsey wird hingehn. Was meinen Sie dazu, Betsey?«
    »Wo denn hin?« fragte die junge Dame.
    »Ihnen gesagt, bloß ä bissel auf der Polizei«, schmeichelte der Jude.
    Die junge Dame war zu feinfühlend, um die Bitte direkt abzuschlagen, sondern brummte nur, sie wolle lieber verdammt sein, als so einen Blödsinn zu begehen.
    Der Jude ließ den Kopf hängen, dann wendete er sich zu der andern jungen Dame, die sehr flott, um nicht zu sagen auffällig angezogen war und einen roten Rock und grüne Stiefel, sowie gelbe falsche Locken trug.
    »Nancyleben«, sagte er eindringlich, »nu was is, was meinen Sie dazu?«
    »Es jeht einfach nich, es ist dummes Zeug; wozu lange rumquatschen, Fagin«, antwortete Nancy.
    »Was soll das heißen«, fragte Mr. Sikes und blickte mürrisch auf.
    »Genau was ich sage, Bill«, erwiderte die junge Dame gefaßt.
    »Gerade du könntest so was am besten machen«, hielt ihr Mr. Sikes vor, »gerade hier im Distrikt kennt dich kein Mensch.«
    »Gerade deswegen, weil mir niemand kennt, hab ik keene Lust, mir durchsichtig zu machen«, antwortete Nancy charakterstark. »Wenn ik mal sage: ›nee‹, kannst de dir drauf verlassen, daß ik bei dieser Meinung bleibe, Bill.«
    »Sie wird gehen, Fagin«, sagte Mr. Sikes kühn.
    »Nee – wird se nich, Fagin«, sagte Nancy.
    »Jawohl, sie wird gehen, Fagin«, beharrte Sikes auf seiner Ansicht.
    Und Mr. Sikes behielt recht. Durch Drohungen, allerlei Versprechungen und Geld wurde schließlich die junge Dame überredet, den Auftrag zu übernehmen;

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