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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Malen erzählte der Jude Geschichten von Räubereien und Diebstählen, die er selbst in seiner Jugend durchgeführt, und schmückte sie mit komischen Details aus, daß Oliver oft herzlich lachen mußte, so sehr ihm auch das Thema selbst gegen sein besseres Gefühl ging.
    Kurz und gut: der schlaue Jude hielt Oliver geschickt in seinem Netz gefangen, nachdem er ihn vorher durch Einsamkeit soweit gebracht, daß er jede Gesellschaft den traurigen Gedanken in dem öden verlassenen Hause vorzog. So hoffte Fagin, seinem Herzen langsam das Gift einzuträufeln,das, wie er annahm, seine Seele mit der Zeit verderben mußte.

NEUNZEHNTES KAPITEL
    Es wird ein höchst bemerkenswerter Plan gefaßt
     
    Eines Abends, es war eine kalte stürmische Nacht, hüllte sich der Jude in seinen Mantel, klappte den Kragen hoch, so daß von seinem Gesicht nur die Augen zu sehen waren, und entfernte sich vorsichtig aus dem Hause. Vor dem Tor blieb er stehen, bis es inwendig verschlossen und verriegelt war, und eilte dann, so schnell er konnte, die Straße hinunter.
    Das Haus, in das man Oliver gesperrt, befand sich in der Gegend von Whitechapel. Der Jude blieb an der Ecke der Straße eine Weile stehen, spähte um sich und schlug dann die Richtung nach Spitalfields ein.
    Dicker Schmutz lag auf dem Pflaster, ein schwarzer Nebel hing über den Straßen, und ein leiser Staubregen ging hernieder und machte alles kalt und klamm. Es war gerade die richtige Nacht für ein Scheusal, wie der Jude, um sich auf den Gassen herumzutreiben. Wie er sich so verstohlen durch Nacht, Nebel und Schmutz an den Mauern entlangdrückte, glich er einem ekelhaften Tier, das nächtlicherweise aus seiner Höhle kommt, um sich im Schlamm ein scheußliches Mahl zu suchen.
    Er setzte seinen Weg durch alle möglichen engen gewundenen und schmutzigen Gassen fort, bis er schließlich Bethnal Green erreichte. Dann wandte er sich plötzlich nach links und kam in ein Gewirr von gemeinen und schlammbedeckten Straßen; er war offenbar dort mit jedem Winkel vertraut und bog endlich in eine Gasse ein, in der nur eine einzige Laterne schien. Dort klopfte er an eineHaustür, wechselte mit der Person, die öffnete, ein paar hastige Worte und klomm dann die Treppe hinauf.
    Wie er die Hand auf die Klinke legte, hörte man einen Hund knurren, und gleich darauf fragte eine Männerstimme, wer da sei.
    »Ich bin’s, Bill, ich, lieber Freind«, sagte der Jude und schob den Kopf ins Zimmer.
    »Also, herein gefälligst«, brummte Sikes, »kusch dich, Mistvieh, du kennst wohl den Teufel nicht, bloß weil er ’nen Mantel anhat?«
    Wirklich schien sich der Hund durch die Verkleidung des Juden haben täuschen lassen; denn als Fagin ablegte und seinen Rock über eine Stuhllehne warf, legte er sich leise mit dem Schweif wedelnd wieder in die Ecke, aus der er gekommen war.
    »Nun?« fragte Sikes.
    »Nu, lieber Freind?« erwiderte der Jude. »Ah, Nancyleben!«
    Die Dirne zog die Füße vom Ofengitter zurück, schob ihren Stuhl beiseite und nötigte Fagin mit einer stummen Geste, sich an den Kamin zu setzen.
    »Kalt is es heinte draußen, Nancyleben«, klagte Fagin und wärmte sich seine knochigen Hände über dem Feuer, »daß es einem durch und durch geht.«
    »Na, um Ihnen durchs Herz zu gehen, müßt’s schon noch ein bissel kälter sein«, brummte Sikes. »Gib ihm was zu trinken, Nancy. Teufel noch einmal, eil dich! Den alten Leichnam da vor Kälte schlottern zu sehen wie ein Gespenst, das aus dem Grab kommt, – übel könnt einem dabei werden.«
    Rasch brachte Nancy eine Flasche aus einem kleinen Wandschränkchen, Sikes schenkte ein Glas Schnaps ein und reichte es dem Juden.
    »Ich dank Ihnen scheen, Billeben«, sagte der Jude und setzte das Glas, kaum daß er es an die Lippen geführt, wieder nieder.
    »Sie fürchten sich wohl, daß Gift drin ist, was?« höhnte Sikes und fixierte den Juden.
    Dann nahm er selbst einen kräftigen Schluck, schüttete den Rest in die Kohlenglut und füllte das Glas von neuem.
    Fagin sah sich langsam im Zimmer um, während Sikes das zweite Glas hinuntergoß – nicht vielleicht aus Neugierde, denn er kannte es seit langer Zeit, aber er war immer mißtrauisch und argwöhnisch. Es war eine ärmlich eingerichtete Wohnung mit nicht viel mehr darin als dem Wandschrank, so daß man glauben konnte, seine Bewohner wären gewöhnliche Taglöhner. Nur ein paar schwere Knüttel im Winkel machten einen verdächtigen Eindruck.
    »So«, sagte Sikes, mit den Lippen schmatzend, »so

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