Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
er alles; alles, was Se verlangen, lieber Freind, dafür steh ich Ihnen gut«, beteuerte der Jude. »Er is noch ganz grien und weiß sich nix zu helfen. Se müssen ihn nur ordentlich ins Bockshorn jagen.«
    »Na, ins Bockshorn jagen, das würden wir schon machen«, murmelte Sikes; »wenn wir mal bei der Arbeit sind, und er muckst sich auch nur, sehen Sie ihn nicht lebendig wieder, Fagin. Überlegen Sie sich das, bevor Sie ihn herschicken«, sagte Sikes und wog eine Brechstange in der Hand, die er unterm Bett hervorgeholt hatte.
    »Hab mer schon alles überlegt«, flüsterte der Jude eindringlich, »hab ihn scharf im Auge behalten, kann ich Ihnen sagen. Wenn er erst einmal sich darüber klar is, daß er bei was Ordentlichem mitgemacht hat, gehört er uns sei ganzes Leben. Die Gelegenheit könnt gar nicht günstiger sein« – er verschränkte die Arme über der Brust, zog die Schultern in die Höhe und schüttelte sich nur so vor Freude.
    »Unser soll er sein?« fragte Sikes. »Du meinst wohl dein?«
    »Vielleicht mein ich das, lieber Freind«, gab der Jude mit schrillem Glucksen zu; »also gut: mein, wenn Ihnen das lieber is, Bill.«
    »Und was«, fragte Sikes und maß den Juden mit haßerfülltem Blick, »was ist der Grund, daß Sie sich mit dem Grünschnabel gar soviel Mühe geben? Wo doch jede Nacht mindestens fünfzig Burschen um Covent Garden herumlungern, die Sie sich jeden Moment auflesen können?«
    »Se sind nichts wert, lieber Freind«, antwortete Fagin ziemlich verlegen; »se sind’s nicht wert, daß mer sich ihrer annimmt. Schauen Se sich se doch bloß an, und Se wissen Bescheid. Aber mit dem da, sag ich Ihnen, – wenn man den richtig in der Hand nimmt, kann man was Tüchtigesaus ihm machen. Ibrigens hat er uns jetzt in der Hand, und gut möchten wir ausschauen, wann es ihm gelingt, davonzulaufen. Deshalb sag ich Ihnen, muß er bei was Ordentlichem mitgemacht haben. Das genügt, sag ich Ihnen. Es ist doch viel gescheiter so, als man schafft ihn aus der Welt; das wär obendrein gefährlich, und wozu das Material verlieren?«
    »Also, wann geht’s los?« fragte Nancy, einem Wutausbruch Mr. Sikes zuvorkommend.
    »Sehr richtig«, sagte der Jude. »Wann geht’s los, Bill?«
    »Ich hab mich mit Toby für morgen nacht verabredet«, sagte Sikes verdrießlich. »Soll die Sache verschoben werden?«
    »Gut«, sagte der Jude. »Da ist auch kein Mondschein.«
    »Nein, is nicht«, brummte Sikes.
    »Nu, und is alles vorgesehen, um die Sechore wegzuschaffen?«
    Sikes nickte.
    »Und was, wenn – ?«
    »Ach was, es ist ja alles in Ordnung«, unterbrach ihn Sikes. »Scheren Sie sich nicht um diese Sachen. Schicken Sie lieber den Burschen morgen her – ; eine Stunde vor Tagesanbruch gehn wir’s an. Halten Sie das Maul, das ist alles, was Sie zu tun haben.«
    Nach einigem Hinundher entschieden sich die drei dahin, Nancy solle sich am kommenden Abend nach Einbruch der Dunkelheit zu Fagin begeben und Oliver mitbringen.
    Wenn sich der Junge, vermerkte Fagin listig, mit dem Plan nicht sollte befreunden können, so würde er Nancy, die sich noch vor kurzem für ihn verwendet habe, bereitwilliger folgen als sonst jemand. Weiter wurde vereinbart, daß Oliver gänzlich der Fürsorge Mr. William Sikes’ anvertraut werdensolle, und daß dieser mit ihm ganz nach Gutdünken, wie es die Umstände erfordern sollten, verfahren dürfe.
    Nachdem diese Punkte festgelegt waren, begann Mr. Sikes wie toll Branntwein zu trinken und fuchtelte dabei in geradezu beängstigender Weise mit seiner Brechstange in der Luft herum, dabei Bruchstücke von Liedern gemischt mit wilden Flüchen, auf höchst unmelodische Art herunterzuheulen. Schließlich bestand er in einer Art besoffnen Berufsenthusiasmus darauf, seinem Freund eine ganze Kiste voll Einbrecherwerkzeugen zu demonstrieren, und brachte zu diesem Zweck eine Kiste hereingeschleppt. Bevor er sie aber noch öffnen konnte, stolperte er über sie, fiel zu Boden, schlief auf der Stelle ein und fing sofort an zu schnarchen.
    »Also gute Nacht, Nancyleben«, sagte der Jude und mummte sich dicht in seinen Mantel.
    »Gute Nacht.«
    Die Blicke der beiden begegneten sich, und der Jude sah ihr scharf in die Augen, als wolle er auf dem Grund ihres Herzens lesen, aber sie hielt ruhig seinen Blick aus. Er verstand: sie war so verläßlich, wie Toby Crackit selbst nur sein konnte. Wieder wünschte er ihr gute Nacht, versetzte, als sie einen Augenblick den Rücken wendete, dem schlafenden Mr. Sikes einen

Weitere Kostenlose Bücher