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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Schornsteinen. Hie und da erkannte er in der Ferne einen grauhaarigen Menschen hinter dem Fenster eines entfernt liegenden Hauses, das aber immer bald wieder im Nebel verschwand. Selbst wenn es Oliver möglich gewesen wäre, eine Verbindung mit der Außenwelt anzubahnen, so hätte er es wahrscheinlich in Anbetracht der höchst verdächtigen Nachbarschaft bald unterlassen.
    Eines Abends, als der Baldowerer und Master Bates sich für den Abend verabredeten, befahl ersterer Oliver, ihm bei der Toilette behilflich zu sein.
    Oliver war überfroh, sich nützlich machen zu können, und nur zu glücklich, endlich wieder einmal ein menschliches Gesicht zu sehen, und begierig, wenn er es, ohne unehrlich zu sein, tun konnte, sich zu bemühen, eine versöhnliche Stimmung herbeizuführen. Er erklärte sich daher sofort bereit, kniete nieder, während der Baldowerer sich auf den Tisch setzte und ihm den Fuß in den Schoß legte, und putzte ihm die Stiefel, was Master Dawkins »Lackieren der Haxenfutterale« nannte.
    »Schade, daß er kein Chochemer ist«, sagte der Baldowerer, versöhnlich gestimmt.
    »Na«, meinte Master Charley Bates, »er übersieht eben seinen eigenen Vorteil.«
    Der Baldowerer seufzte schwärmerisch und zündete sich eine Pfeife an. Dann rauchte er eine Weile lang, ohne ein Wort zu sprechen.
    »Ich glaube, du weißt nicht einmal, was ein Chochemer ist?« sagte er auf einmal schwermütig.
    »Ich glaube schon, daß ich es weiß«, sagte Oliver und blickte auf. »Es ist, es ist – es ist doch ein Dieb? Es ist ein Dieb, nicht wahr?«
    »Jawohl«, versetzte der Baldowerer, »ich bin auch ein Dieb. Ich würde mich schämen, was anderes zu sein, und Charley auch, Fagin ebenfalls und Sikes auch. Nancy und Betsey sind ebenfalls Diebinnen. Alle. Und der Hund auch, und der ist der allergerissenste.«
    »Und hat keine Neigung, was zu verraten«, ergänzte Charley Bates.
    »Ich glaube, er würde als Zeuge nicht mal bellen, um sich nicht zu verraten«, bekräftigte der Baldowerer. »Aber was weiß denn das dumme Greenhorn davon?«
    »Warum trittst du eigentlich nicht bei Fagin ein, Oliver?« fragte Bates.
    »Und machst dich selbständig«, ergänzte der Baldowerer grinsend.
    »Wie ich’s vorhab im nächsten Schaltjahr, am zweiundvierzigsten Dienstag in der Trinitywoche«, erläuterte Charley Bates.
    »Ich tu es nicht gern«, antwortete Oliver schüchtern. »Ich wollte, man ließ mich gehen, – ich – ich möchte am liebsten weg.«
    »Aber Fagin möcht’ es nicht«, spöttelte Charley.
    Oliver wußte das selbst am besten, hielt es aber für gefährlich, seine Gefühle deutlicher zu verraten. Er seufzte daher nur und fuhr fort, dem Baldowerer sorgfältig die Stiefel zu wichsen.
    »Hast du denn gar keinen Stolz?« rief der Baldowerer. »Möchtest wohl immer andern Leuten auf der Tasche liegen?«
    »Pfui Deifel, so was«, schimpfte Master Bates, zog ein paar seidene Schnupftücher aus der Tasche und warf sie in eine Schublade, »so was Hundsgemeines.«
    »Ich kriegte so was net fertig«, sagte der Baldowerer hochnäsig.
    »Ja, aber deine Freunde kannst du im Stich lassen«, sagte Oliver mit halb unterdrücktem Lächeln, »und siehst ruhig zu, daß sie arretiert werden, weil du etwas gestohlen hast.«
    »Das«, erklärte der Baldowerer und fuchtelte mit seiner Pfeife in der Luft herum, »das geschah aus Rücksicht für Fagin, weil die auf der Polizei ganz gut wissen, daß wir zusammenarbeiten. Hätten wir uns nicht rechtzeitig auf die Socken gemacht, wären wir alle im Saft gewesen, was Charley?«
    Master Bates nickte zustimmend und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da überwältigte ihn die Erinnerung an Olivers Flucht vor dem Bücherladen, und er verschluckte sich vor Lachen so mit Tabakrauch, daß er fast fünf Minuten brauchte, um wieder zu sich zu kommen.
    »Da, schau mal her«, sagte der Baldowerer und zog eine Handvoll Schillinge und Halfpence aus der Tasche, »is das ’n feines Leben! Was liegt daran, wo es herkommt? Mach’s auch so. Da gibt’s noch viel mehr, wo wir’s herhaben. Was? Du willst nicht. So ein dummes Luder.«
    »Er ist ein Taugenichts, nicht wahr, Oliver?« höhnte Charley Bates. »Er muß noch mal in den Sack spucken.«
    »Ich verstehe nicht, was das heißt«, sagte Oliver.
    »Das da heißt’s, dummes Luder!« spottete Charley, dabei hielt er sein Halstuch in die Luft, machte eine Schlinge daraus und steckte den Kopf durch und pfiff dabei sonderbar durch die Zähne. »Das bedeutet’s,

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