Oliver Twist
weit bin ich fertig.«
»Fürs Geschäft?« forschte der Jude.
»Fürs Geschäft«, bestätigte Sikes. »Also los! Was haben Sie zu sagen?«
»Was is mit der Bude in Chertsey, Bill?« fragte der Jude leise und rückte seinen Stuhl näher an Sikes heran.
»Ja, das möcht ich auch fragen«, brummte Sikes.
»Nu, Sie wissen doch, was ich sagen will, lieber Freind«, sprudelte der Jude hervor. »Was glauben Sie, weiß er, was ich will, Nancyleben?«
»Nee, er weiß es nicht«, höhnte Sikes, »oder er will’s nicht wissen, – was aufs gleiche rauskommt. Nur raus damit und die Sache beim Namen nennen. Sitzen Sie nicht da und blinzeln Sie; oder sprechen Sie in Rätseln? Also was gibt’s?«
»Betuch, Billeben, betuch«, flüsterte der Jude abwehrend.»Was, wenn uns jemand hört? Geben Se acht, es wird uns noch ä mol jemand heeren.«
»Na gut, soll uns jemand hören«, murrte Sikes, »mir ist’s Wurst« – er schien es aber doch für besser zu halten, dem Rate des Juden zu folgen, denn er dämpfte gleich darauf seine Stimme.
»Nu nu«, beschwichtigte der Jude, »es war doch bloß ä Vorsicht von mir, lieber Freind. Also, was is mit der Bude in Chertsey? Und wann geht’s los, Bill? Silberzeug, mein lieber Freind, Silberzeug!« Und er rieb sich die Hände und zog verzückt die Augenbrauen in die Höhe.
»Es ist nichts damit«, versetzte Sikes kalt.
»Nix damit?« rief der Jude und fuhr von seinem Stuhl auf.
»Nein, nichts damit«, wiederholte Sikes. »Es ist lange kein so gutes Geschäft, wie wir erwartet haben.«
»Dann habt ihr’s schief angefaßt«, sagte der Jude und wurde bleich vor Ärger. »Reden Se nix.«
»Aber ich will reden«, schrie Sikes. »Wer sind Sie denn, daß Sie mir das Maul verbieten wollen? Ich sag Ihnen: Toby Crackit hat die Stelle vierzehn Tage lang ausbaldowert, aber keiner von der Dienerschaft ist rumzukriegen.«
»Sie wollen mer doch so was nicht einreden, Bill«, remonstrierte der Jude, immer ruhiger werdend, je mehr sich der andre in die Hitze hineinredete, »Sie wolln mer doch nix einreden, daß nicht a einziger von den Leuten wirklich rumzukriegen gewesen ist?«
»Jawohl will ich das«, versetzte Sikes. »Zwanzig Jahr lang sind sie schon bei der Alten gewesen, und nicht um fünfhundert Pfund werden sie anbeißen.«
»Aber von den Frauenzimmern werden Sie mer das doch wohl nicht einreden wollen, Bill?« wendete der Jude ein.
»Es ist nicht dran zu denken.«
»Und durch den hübschen Toby Crackit auch nicht? Gott, Sie müssen sich doch in die Weibsleut auskennen!«
»Nein, auch durch den hübschen Toby Crackit nicht«, beharrte Sikes auf seiner Ansicht. »Wie gesagt, nicht einmal die falschen Kotletten, die er sich angeklebt hat, und die kanariengelbe Weste haben geholfen bei ihnen.«
»Warum hat er’s nicht mit ä Schnurrbart versucht und mit ä paar Militärhosen?« fragte der Jude.
»Das hat er auch gemacht«, brummte Sikes, »und ist auch nicht weiter damit gekommen.«
Der Jude machte ein verdutztes Gesicht. Ein paar Minuten lang saß er da und ließ den Kopf hängen, dann blickte er auf und meinte mit einem tiefen Seufzer, wenn der hübsche Toby Crackit wirklich die Wahrheit gesprochen habe, sei es allerdings mit dem Geschäft nichts.
»Es is rein zum Verzweifeln«, setzte er hinzu und rieb sich die Knie, »rein zum Verzweifeln, lieber Freind. Jetzt solln mer aufgeben, worauf wer uns schon so lang gefreit haben?«
»Jawohl, stimmt«, sagte Mr. Sikes, »verdammtes Pech.«
Eine lange Pause folgte, während der der Jude in tiefes Grübeln versunken dasaß. Seine Mienen zeigten den Ausdruck geradezu dämonischer Schurkerei. Von Zeit zu Zeit schielte Sikes nach ihm hinüber, und Nancy, um ihn nicht aufzubringen, saß stumm da und blickte in die Kohlenglut.
»Fagin«, brach Sikes plötzlich das Schweigen, »geben Sie fünfzig Goldfüchse extra, wenn wir’s mit dem Einbruch probieren?«
»Gemacht«, rief der Jude, plötzlich aus seinen Gedanken erwachend.
»Wirklich? Abgemacht?« fragte Sikes.
»Wenn ich sag, is es gemacht«, rief der Jude und seine Augen funkelten vor Aufregung.
»Gut«, sagte Sikes und schob die Hand des Juden verächtlich beiseite. »Also gut, dann gehen wir’s an, wann Sie’s für richtig halten. Toby und ich sind vorgestern nacht über die Gartenmauer gestiegen und haben die Fensterladen untersucht. Die Bude wird nachts zugeriegelt wie ein Gefängnis, aber eine Stelle haben wir schon rausgefunden, wo’s ohne viel Lärm gehen
Weitere Kostenlose Bücher