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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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höre«, sagte der Strolch mürrisch, packte Oliver am Handgelenk und setzte ihm den Lauf so dicht an die Schläfe, daß der arme Junge einen Schreckensruf nicht unterdrücken konnte. – »Also, jetzt höre: Wenn du bloß ein Wort redest, wann ich mit dir draußen bin, ausgenommen, ich spreche dich an, dann hast du die Ladung im Schädel drin. Wenn du also Lust hast, ins Gras zu beißen, dann kannst du noch vorher ein Gebet sprechen. Sovielich weiß, wird sich wohl niemand besonders eingehend nach deinem Verbleib erkundigen; ich hätte es also gar nicht nötig, dir den ganzen Kram erst auseinanderzusetzen, aber es geschieht zu deinem eignen Besten. Verstanden?«
    Sodann deckte Nancy, nachdem sie Oliver vorher noch einen warnenden Blick zugeworfen, schleunig ein Tuch über den Tisch, verschwand für ein paar Minuten und kehrte mit einem Krug Bier und einer Schüssel Hammelfleisch zurück. Als das Abendessen vorüber war, bei dem Oliver begreiflicherweise keinen besonderen Appetit an den Tag legte, goß sich Mr. Sikes noch ein paar Gläser Brandy mit Wasser hinter die Binde und warf sich, nachdem er Nancy mit einer Reihe von Flüchen und Verwünschungen befohlen, ihn pünktlich früh um fünf Uhr zu wecken, auf sein Bett. Oliver streckte sich auch angezogen auf eine am Boden liegende Matratze, und die Dirne kauerte sich neben dem Ofen zusammen, um wach zu bleiben, damit sie nicht versäume, Mr. Sikes pünktlich zur vorgeschriebenen Zeit zu wecken. Auch Oliver blieb noch eine Weile wach, hoffend, daß Nancy ihm noch ein paar Worte zuflüstern würde, aber sie rührte sich nicht, und endlich schlief er ein. Als er erwachte, war der Tisch bereits mit Teegeschirr bedeckt, und Mr. Sikes beschäftigte sich gerade damit, verschiedene Sachen in den Taschen seines über einer Stuhllehne hängenden Mantels unterzubringen. Es war noch dunkel draußen und das Zimmer von Kerzenschein erhellt. Ein grimmiger Regen peitschte gegen die Scheiben, und der Himmel war schwarz und mit Wolken bedeckt.
    »Na, wird’s bald?« murrte Sikes, als Oliver emporfuhr. »Es ist schon halb sechs. Mach rasch, sonst kommst du zu spät zum Futter.«
    Oliver brauchte nicht lange, um seine Toilette zu vollenden,und nachdem er ein paar Schluck Tee zu sich genommen, erwiderte er auf die mürrische Frage Mr. Sikes’, er sei nunmehr fertig und bereit.
    Nancy warf ihm ein Taschentuch mit der Weisung zu, er solle es sich gegen die Kälte um den Hals knüpfen, und Sikes warf ihm einen großen rauhen Kragen über und nahm ihn beim Handgelenk, nachdem er ihm noch einmal mit drohender Miene seine Pistole gezeigt.
    An der Türe drehte sich Oliver um, in der Hoffnung, einen Blick von Nancy aufzufangen; aber wieder hatte die Dirne sich neben den Kamin gekauert und starrte regungslos ins Feuer.

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Unterwegs
     
    Es war ein freudloser Morgen, als sie hinaus auf die Straße traten. Es stürmte heftig und regnete in Strömen, und finstere Wolken hingen träg am Himmel. Die Nacht mußte sehr naß gewesen sein, denn große Pfützen hatten sich auf der Straße gesammelt, und die Rinnsteine liefen über. Ein matter Schimmer am Himmel verkündete den Tagesanbruch und verstärkte das unheimliche Düster der Gegend nur noch mehr. Noch war keine Seele auf, die Fensterläden der Häuser waren fest verschlossen und die Gassen öde und leer. Als sie in die Bethnal Green Street einbogen, fing es an, Tag zu werden. Ein Teil der Laternen war bereits ausgelöscht, und ein paar Bauernwagen holperten langsam und schwerfällig in die Stadt herein. Die Schenken standen offen und waren hell erleuchtet, und hier und da wurde ein Laden aufgemacht. Gruppen von Arbeitern trotteten in ihre Fabriken, dann kamen Männer und Weiber mit Fischkörbenauf den Köpfen, Eselskarren mit Gemüse beladen und Kastenwagen mit Schlachtvieh, und Metzger mit Metzgerwaren zogen ihres Weges. Je näher sie der City kamen, desto mehr nahm der Lärm und der Verkehr zu, und als sie in die Straßen zwischen Shoreditch und Smithfield einbogen, war bereits alles von einem wirren Getöse erfüllt. Die frühe Tätigkeit der halben Londoner Bevölkerung hatte begonnen. Sie gingen die Sun and Crown Street hinunter und überquerten Finsbury Square und schlugen die Richtung über Chiswell Street nach Barbican ein. Dann eilten sie weiter nach Smithfield. Ein Wirrwarr mißtönenden Lärmes schlug ihnen entgegen und erfüllte Oliver mit Schrecken.
    Es war Markttag. Der Boden war mit Schmutz und Schlamm

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