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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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bedeckt, daß man fast bis zu den Knöcheln einsank, und darüber schwebte ein dicker Dampf, der ununterbrochen von rauchenden Viehleibern aufstieg und sich mit dem Nebel vermischte, der wie eine Decke über den Schornsteinkappen hing. An Pfähle gebunden standen zu zweien und dreien lange Reihen von Kühen und Ochsen neben den Rinnsteinen. Bauern, Metzger, Viehtreiber, junge Gauner, Diebe und Landstreicher wogten durcheinander in bunten Haufen. Das Keifen der Weiber, das Bellen der Hunde, das Brüllen und Stampfen der Ochsen, das Blöken der Schafe, das Grunzen der Schweine und das Geschrei der Händler hallte aus allen Ecken und Winkeln wider. Unrasierte schmutzige Gestalten rannten hin und her, stürzten in das Gewühl hinein und wieder heraus: kurz es war ein sinnverwirrendes abstoßendes Schauspiel.
    Mr. Sikes, Oliver fest am Handgelenk haltend, bahnte sich mit den Ellbogen seinen Weg durch das dichteste Gewühl und hatte für all das, was es hier zu sehen und zu hören gab, keinen Blick. Hier und da nickte er einem vorübereilendenBekannten zu, lehnte die vielen Einladungen zu einem Morgenschnaps standhaft ab und arbeitete sich mit entschlossenem Gesicht durch die Menge hindurch, bis sie durch die Hosier Lane ihren Weg nach Holborn wieder gefunden hatten. »Nun, Bursche«, brummte Sikes mit einem Blick nach der Uhr der St. Andreaskirche, »Schlag sieben jetzt, marsch vorwärts.« Und weiter zerrte er ihn in höchster Eile. Sie setzten ihren Marsch im schnellsten Tempo fort, bis sie um die Hydeparkecke hinaus waren und in die Kensingtonstreet einbogen. Hier verlangsamte Sikes seine Schritte, bis ein leerer Wagen, der in kurzer Entfernung hinter ihnen fuhr, herangekommen war. Auf Mr. Sikes’ Frage, ob der Wagen nach Hounslow fahre, bejahte der Kutscher und machte sich erbötig, sie bis Isleworth mitzunehmen.
    »Ist das Ihr Junge?« fragte der Kutscher.
    »Jawohl, ist er«, sagte Sikes, blickte Oliver scharf an und legte wie zufällig die Hand auf die Tasche, in der die Pistole stak.
    Als sie an all den vielen Meilensteinen vorüberkamen, konnte Oliver seine Neugierde, wohin ihn denn Mr. Sikes zu schaffen gedenke, kaum mehr verbergen. Sie kamen an Kensington, Hammersmith, Chiswick, Kew Bridge, Brentford und noch manchen andren Orten vorüber, und immer noch schien es, als seien sie am Anfang ihrer Wanderung. Schließlich machte der Wagen an einer Schenke halt.
    Hastig stieg Sikes vom Wagen, und als er Oliver herunterhalf, warf er ihm wieder einen grimmigen Blick zu und schlug mit der Faust auf die Seitentasche.
    »Adieu, mein Junge«, sagte der Fuhrmann.
    »Er ist maulfaul«, knurrte Sikes und schüttelte Oliver am Kragen, ihn immerwährend drohend anblickend. »Er ist maulfaul; machen Sie sich nichts draus, Mann.«
    »I wo werd ich«, versetzte der Kutscher und stieg wieder auf seinen Bock.
    Sikes wartete, bis der Wagen außer Sicht war, und sagte dann höhnisch zu Oliver, wenn er vielleicht Verlangen darnach verspüre, solle er sich nur nach ihm umgucken.
    Dann schwenkten sie eine kurze Strecke hinter der Schenke nach links ab, schlugen einen vor ihnen sich ausbreitenden Weg ein, schritten eine Zeitlang an Gärten und vornehmen Häusern zu beiden Seiten vorüber, ohne sich weiter aufzuhalten, bis sie in eine Stadt gelangten. Hier las Oliver an der Mauer eines Hauses mit ziemlich großen Buchstaben das Wort »Hampton« geschrieben. Ein paar Stunden lang liefen sie noch in den Feldern umher, wanderten dann wieder in die Stadt zurück und kehrten in eine Schenke ein, vor der ein unleserliches Schild hing, und Sikes bestellte in der Küche ein Mittagessen neben dem Herdfeuer.
    Die Küche war ein altes Gewölbe mit niedriger Decke. Oben quer darüberhin lief ein großer Balken, und am Herd standen Bänke mit hohen Lehnen. Dort saßen und tranken und rauchten mehrere wettergebräunte Männer in Arbeiterkitteln. Sie nahmen von Oliver gar keine und von Sikes nur geringe Notiz. Nachdem Oliver ein paar Schnitten kaltes Fleisch gegessen, übermannte ihn die Müdigkeit, und bald sank er in festen Schlaf.
    Es war schon ganz dunkel geworden, als er von Mr. Sikes mit Püffen aufgeweckt wurde. Nachdem er sich ein wenig ermuntert hatte, setzte er sich auf und fand beim Umherblicken, daß sein Herr in eifriger Unterhaltung mit einem Arbeiter begriffen war und mit diesem hinter einem Krug Wein saß.
    »Soso. Sie fahren also nach Lower Halliford, was?« fragte Sikes.
    »Jawohl«, antwortete der Mann, der ein wenig zu vielüber den

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