Olivers Versuchung
verlieren? Selbst wenn ich versuche, dich zu verführen, was ich nicht vorhabe, wäre das so schlimm für dich? Du kannst doch in jedem Falle nur gewinnen. Ich bin diejenige, die das Risiko eingeht.“
Instinktiv ließ Oliver seine Augen über ihren Körper wandern, dann blickte er wieder in ihr Gesicht. „Was für ein Risiko?“
„Ich riskiere, dass du mich aussaugst, sobald du weißt, wozu mein Blut in der Lage ist.“
17
Oliver überquerte drei Fahrbahnen, um auf die Abbiegespur zu gelangen und die Autobahn zu verlassen. An der nächsten Kreuzung bog er ab und fand eine kleine Nebenstraße. Diese führte zu ein paar Bäumen, die neben einem verfallenen Haus mit einem Verkaufsschild im Vorgarten standen.
Er stellte den Motor ab, bevor er sich zu Ursula drehte. Ihre Worte hatten ihn neugieriger gemacht, als er zugeben wollte.
„Ich bin ganz Ohr.“
Er beobachtete, wie sie schwer schluckte, bevor sie sprach. „Es waren ungefähr ein Dutzend Mädchen. Zuerst wussten wir nicht, warum wir gefangen genommen wurden. Aber wir hatten einige Dinge gemeinsam. Wir alle waren Chinesinnen, die in China geboren wurden. Jede von uns war in den USA entführt worden. Einige von uns waren älter, einige hübsch, andere nicht. Wir wussten also, dass es ihnen nicht um unsere Schönheit ging, auch nicht um unsere Jugend. Es ging um unser Blut.“
Er nickte, immer noch skeptisch, wohin dies führen würde. „Weiter.“
„Sie brachten Vampire zu uns, die sich von uns ernährten. Zweimal, manchmal sogar drei Mal pro Nacht. Aber während der Fütterungen behielten sie die Vampire, die von uns tranken, ständig im Auge. Sie sorgten dafür, dass sie nicht zu viel von uns nahmen. Aber wir alle bemerkten Veränderungen bei den Vampiren, wenn sie von uns tranken: Sie sahen irgendwie wie weggetreten aus. Als ob sie unter Drogen stehen würden.“
Oliver hob eine Augenbraue. „Unter Drogen? Es tut mir leid, aber Drogen haben auf Vampire keinerlei Auswirkung. Wir sind dafür nicht anfällig. Nicht für Alkohol, Koks oder Heroin. Auch nicht für Marihuana oder irgendwas Vergleichbares.“
Sie nickte. „Das habe ich auch mitbekommen. Aber trotzdem wurden diese Vampire durch unser Blut high.“
„Unmöglich.“ Während er das sagte, kam eine Versuchung in ihm hoch. Sie wurde so stark, dass sein Zahnfleisch zu jucken begann, was anzeigte, dass sein Körper nach Blut lechzte – vorzugsweise Ursulas Blut. Es war ein schlechtes Timing, dass sich sein Hunger gerade jetzt bemerkbar machte.
„Das haben wir auch gedacht, aber wir wussten, was geschah. Und es gab noch andere Anzeichen: Die Wachen tranken nie unser Blut, obwohl sie so aussahen, als ob sie es tun wollten. Und sie sprachen über uns: wie wertvoll wir waren, wie viel ihre Kunden für unser Blut zahlen mussten. Der Preis war astronomisch. Ich habe keine Ahnung, was ein Gramm Kokain kostet, aber die Wachen behaupteten, dass unser Blut noch teurer wäre. Du hast gefragt, wie ich entkommen bin. Die Wache wurde in einen anderen Raum gerufen, um zu helfen, weil einer der Kunden durchdrehte – wahrscheinlich aufgrund des Blutes – und ich nutzte die Gelegenheit, und drängte den Vampir, der von mir trank, mehr zu nehmen als gut für ihn war. Ich betäubte ihn. Er wurde ohnmächtig und so konnte ich entkommen.“
Oliver hörte aufmerksam zu. War es möglich, dass es so geschehen war, wie sie behauptete? „Hat niemand deine Flucht bemerkt?“
„Doch, mit Sicherheit, aber zu spät. Ich bin die Feuerleiter hinuntergestiegen und einfach nur gelaufen, bis ich dir begegnet bin.“
Er erinnerte sich nur zu gut an ihr Zusammentreffen. War der Grund dafür, warum sie dem Tod so nahe gewesen war, dass der Vampir übermäßig viel von ihrem Blut getrunken hatte? Als er daran zurückdachte, wie sie sich begegnet waren, erinnerte er sich auch wieder daran, dass er in der Ferne Schritte gehört hatte. Doch er hatte nicht abgewartet herauszufinden, wer sich ihnen näherte.
„Sie müssen alles zusammengepackt haben, als sie herausfanden, dass ich entkommen war, und sie mich nicht finden konnten. Sie mussten befürchten, dass ich mit Verstärkung zu ihrem Versteck zurückkommen würde.“
Oliver nickte langsam. „Das Gebäude hat etwas zu sauber ausgesehen. Als hätte jemand sorgfältig seine Spuren verwischt. Wer hat die Sache geleitet?“
„Ich weiß es nicht. Wer auch immer er war, er kam nie zu der Etage, auf der wir wohnten und . . . wo sie von uns tranken. Tatsächlich glaube
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