Olivers Versuchung
Oliver und seine Kollegen waren verschwunden. Hatten sie das Gebäude betreten oder waren sie außen herum gegangen? „Wo sind sie?“
„Drinnen.“
Bei der Gelassenheit in seiner Stimme starrte sie ihn an.
„Machst du dir Sorgen?“
Sie antwortete nicht.
„Sie wissen, was sie tun. Amaury und Zane gehören zu den besten.“
Ihre Knie schlotterten. Sie drückte ihre Handflächen auf ihre Oberschenkel, um zu verbergen, dass sie Angst hatte. „Und Oliver?“ Warum hatte Cain nicht gesagt, dass Oliver auch zu den besten gehörte?
Cain zögerte. „Er ist noch . . . jung.“
„Aber er kann sich verteidigen, nicht wahr?“
„Natürlich. Machst du dir um ihn Sorgen?“
Ursula drückte sich tiefer in den Sitz. „Nein!“
Lügnerin, Lügnerin.
„Dann hör auf zu zappeln. Wenn das, was du sagst, wahr ist, und diese Vampire eine Art Blut-Bordell führen, werden meine Kollegen einfach vorgeben, Kunden zu sein, damit sie sich da drinnen umsehen können. Sie werden heute Abend keinen Angriff wagen.“
Warum hatte Oliver ihr das nicht gesagt? Hatte er Angst, dass sie irgendwie ihre Entführer warnen würde? Glaubte er ihr immer noch nicht?
„Und die Waffen?“
„Du hast gute Augen.“
„Das beantwortet meine Frage nicht“, schoss sie zurück.
„Vielleicht bin ich nicht in der Stimmung, Fragen zu beantworten.“ Er sah sie mit seinen harten und unnachgiebigen Augen an. „Ich habe deine Akte von vorne bis hinten durchgelesen. Den Polizeibericht, die Zeitungsartikel. Was du uns erzählt hast. Und dann die Tatsache, dass du von dort entkommen bist.“ Er deutete in Richtung des Gebäudes. „Das sieht nicht einfach aus, vor allem nicht, wenn wirklich so viele Vampire in dem Gebäude sind, wie du behauptest. Etwas mit deiner Geschichte stinkt zum Himmel. Nur weil du Oliver um deinen kleinen Finger gewickelt hast, bedeutet das nicht, dass du das auch mit uns schaffst. Ich lasse mich nämlich nicht von meinem Schwanz leiten!“
Ursula schnaubte wütend. Sie öffnete den Mund, aber er unterbrach sie.
„Spare dir deinen Atem!“
Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust, sah aus dem Fenster und beobachtete das Gebäude aufmerksam. Es war dunkel, aber das musste nichts bedeuten. Alle Fenster waren entweder von innen schwarz lackiert oder mit Brettern vernagelt. Vor einigen hingen schwere Vorhänge, sodass kein Licht eindringen konnte. Ebenso wenig konnte das Licht nach draußen gelangen. Sie war davon überzeugt, dass ihre Entführer dies mit Absicht getan hatten, sodass niemand auf das Gebäude aufmerksam wurde und anfing, Fragen zu stellen.
Wie sie ihre Kunden fanden, konnte sie nur vermuten. Mundpropaganda wahrscheinlich. Sie konnten doch schließlich keine Anzeige aufgeben, dass sie Blut-Huren mit besonderem Blut vermieteten.
Die Zeit schien still zu stehen. Nervös kaute Ursula an ihren Fingernägeln, als sie endlich eine Bewegung an der Tür des Gebäudes wahrnahm. Die Eingangstür öffnete sich und nacheinander traten die drei Vampire heraus. Sie kamen geradewegs auf den Minivan zu.
Ängstlich wartete sie. Alle drei gingen zu ihrer Seite des Minivans, aber Zane war der erste, der sie erreichte. Er riss die Tür auf und warf ihr einen wütenden Blick zu.
„Was zum Teufel sollte das?“, fragte er.
Erschrocken von seinem rauen Ton wich sie tiefer in das Auto zurück. „Was ist passiert?“
„Nichts ist passiert! Absolut nichts!“, knurrte Zane. „Verdammte Zeitverschwendung!“
Ursulas Augen schweiften an ihm vorbei und suchten Oliver. Als sich ihre Blicke trafen, sah sie die Enttäuschung in seinen Augen.
„Oliver“, bettelte sie.
Oliver zögerte eine Sekunde, bevor er sprach. „Das Gebäude war leer.“
Automatisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, nein, das ist nicht möglich.“ Sie zeigte in Richtung des Gebäudes. „Das ist das Haus. Ich bin mir absolut sicher. Das ist das Gebäude, wo sie mich eingesperrt hatten.“
Oliver senkte seine Lider, als wolle er ihrem Blick ausweichen. Hinter ihm war Amaurys Gesicht wie in Stein gemeißelt.
„Es gibt nichts dort drinnen“, meinte Amaury. „Keinen Vampir, keine Menschen, keine Möbel.“
Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Nein, du lügst! Sie sind dort drinnen. Sie müssen dort sein!“
„Wir haben keinen Grund zu lügen!“, knurrte Zane. „Du, andererseits, hast uns an der Nase herumgeführt. Ich weiß nicht, was für ein Spiel du spielst, aber ehrlich gesagt ist es mir mittlerweile egal. Weil es hier
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