Olivers Versuchung
war sie nicht fähig sich zu bewegen, als sein Gesicht näher kam. Seine Lippen berührten ihre Wange und drückten einen sanften Kuss auf ihre Haut.
Sie schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, und deutete auf den Boden. „Es ist hier drunter.“
Oliver wich zurück, um ihr Platz zu machen, während sie auf das eine Ende des losen Dielenbrettes drückte, sodass die andere Seite nach oben kippte und sie es greifen und entfernen konnte.
Sie griff in den Hohlraum. Ihr Herz schlug bis in ihre Kehle und sie betete, dass ihre Entführer das Geheimfach, in dem sie die gestohlene Geldbörse versteckt hatte, nicht gefunden hatten. Ihre Finger berührten etwas Glattes, und sie atmete einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie die Geldbörse herauszog. Sie reichte sie Oliver.
„Das ist sie.“
Oliver öffnete sie und blätterte die Karten im Inneren durch. „Ausgezeichnet.“
Dann half er ihr auf. „Lass uns gehen. Ich kann sehen, dass du dich hier unwohl fühlst.“ Er deutete mit seinem Kopf dorthin, wo ihr Bett gestanden hatte. „Es muss schrecklich sein, an den Ort zurückzukehren, wo sie dich vergewaltigt haben.“
Sie starrte ihn mit offenem Mund an. Er dachte, sie war vergewaltigt worden?
„Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht daran erinnern dürfen.“
Bevor sie überhaupt wusste, wie sie darauf reagieren sollte, führte er sie aus dem Zimmer und aus dem Gebäude. Als sie wieder im Minivan saßen und sie sah, wie er den Schlüssel ins Zündschloss steckte, legte sie ihre Hand auf seinen Arm, um ihn zu stoppen.
Überrascht drehte er den Kopf zu ihr, sagte aber nichts.
Sie wusste nicht, warum sie das Bedürfnis hatte, seine falsche Vermutung zu korrigieren. Vielleicht war es die Zärtlichkeit und das Verständnis, das er gezeigt hatte, als sie in ihrer ehemaligen Zelle waren. Oder vielleicht wurde sie einfach weich.
„Wir sind nie vergewaltigt worden.“
Überraschung leuchtete in seinen Augen auf. „Aber die Vampire . . . der Biss. Du musst die Erregung gespürt haben. Und mit jemandem so schön wie du . . . “
Er dachte, sie war schön?
„Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wie ein Vampir dir je widerstehen könnte. Ich wollte nicht neugierig sein, und es spielt keine Rolle, dass du es mir nicht erzählen willst. Ich hatte kein Recht zu fragen. Vergiss es einfach.“
Er schien verlegen zu sein. Und das machte ihn so menschlich.
„Ich weiß von der sexuellen Erregung. Ich habe sie viele Male durchgemacht, aber die Wachen sorgten dafür, dass die Blutegel uns nie berührten. Sie sagten, dass es die Potenz unseres Blutes verdünnen würde.“
„Was?“ Verwirrung schwang in seiner Stimme mit.
„Sie behaupteten, dass, wenn wir sexuelle Befriedigung erlangten, dies den Drogen-Effekt in unserem Blut neutralisierte. Darum haben sie uns nicht vergewaltigt. Sie wollten die Ware nicht verderben. Deshalb haben sie uns auch tagsüber an unsere Betten gefesselt. Damit wir uns nicht berühren konnten.“
Oliver saß mit offenem Mund da, als ihre Worte einsanken.
Ursula nickte langsam, während sie sich an die schlaflosen Stunden erinnerte, in denen sie gegen sexuelles Verlangen gekämpft hatte. „Und nachts benutzten sie Gedankenkontrolle, sodass wir nicht versuchen konnten zu masturbieren, wenn wir alleine waren.“
„Du meinst . . . “ Er unterbrach sich.
Sie sah weg, plötzlich verlegen, dass sie so offen gesprochen hatte. Sie hatte ihm nicht von diesem Teil ihrer Qual erzählen wollen, aber aus irgendeinem Grund wollte sie, dass er verstand, was sie durchgemacht hatte. „Ich habe seit drei Jahren keinen Orgasmus gehabt.“
Bei ihrem Eingeständnis hörte sie ihn scharf einatmen. „Oh mein Gott!“
Sie fühlte Wärme in ihre Wangen steigen.
„Aber du bist so voller Leidenschaft.“ Er griff nach ihrer Hand und zog damit ihren Blick auf sich.
„Ich wünschte, ich könnte es wieder gutmachen.“ Sofort schien er zu begreifen, was er gesagt hatte. „Oh, Gott, nein, das meinte ich doch nicht so. Ich meinte . . . “
Sie wusste genau, was er meinte. Es sollte sie abstoßen, doch das tat es nicht. Obwohl Oliver ein Vampir war, hatte sie in den letzten paar Stunden eine andere Seite von ihm gesehen. Er sorgte sich. Er hatte ihr zugehört und seine Zweifel beiseitegelegt. Er hatte sich bemüht, ihr zu helfen. Und die Art, wie er sich verhalten hatte, als sie beim Betreten ihrer ehemaligen Gefängniszelle Angst hatte, war geradezu einfühlsam gewesen. Als
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