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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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sicher war, beim nächsten Satz würde er drüberspringen.
    »Aus!«, rief ich möglichst streng, weil Nettie einmal gesagt hatte, das solle man bei solchen Hunden tun.
    Barsch hörte nicht auf mich.
    Ich versuchte mir den Riesenhund mit Entengrütze auf dem Kopf vorzustellen, doch er knurrte so gemeingefährlich, dass ich nur noch ans Wegrennen denken konnte.
    Kamen mir Sascha und Milena hinterher? Ich schnappte mir das lila Rad, das ich an einen Pfosten an der Straße gelehnt hatte. Natürlich fand ich den Schlüssel nicht auf Anhieb, und als ich ihn endlich gefunden hatte, bekam ich ihn natürlich nicht gleich ins Schloss. Ich glaube, dass ich nicht nur die Hunde bellen, sondern auch jemanden »Olivia!« rufen hörte. Doch ich drehte mich nicht um, sondern machte mich nur so schnell wie möglich auf und davon, als das Schloss endlich offen war. Die Ampel am Ende der Straße war rot, aber ich radelte einfach weiter. Wenn mich in dem Moment jemand angefahren hätte, wäre es Saschas Schuld gewesen.
     
    Mein Vater war nicht im Salon, als ich zurückkam. Natürlich nicht. Zuerst ging die Tür kaum auf, und dann rutschte ich auf einem Haufen schmutziger Männerhaare aus. Ob ich gestolpert bin oder es mit Absicht tat, weiß ich nicht mehr, jedenfalls kippten im nächsten Augenblick alle Rasiersets und Rasierwasserflaschen um und lagen auf seinem dämlichen selbst gebauten Regal kunterbunt durcheinander. Ein Fläschchen zerbrach auf dem Steinfußboden. Der ganze Laden stank danach. Ich ließ alles stehen und liegen und ging durch die schmutzige Küche zum Boot.
    Vielleicht war er wieder eingeschlafen? Nein, er war weg. Der Karton stand immer noch neben seinem Bett, ich hatte ihn absichtlich stehen lassen, damit mein Vater wusste, dass ich ihn durchschaut hatte. Dass ich das mit dem Kleid herausgefunden hatte. Aber das schien ihn nicht zu stören. Auf seinem Bett lagen lauter schmutzige Kleidungsstücke. Zum Schlafen legte er sich einfach mitten rein.
    Ich hob mein Kissen hoch. Das Kleid war ganz zerknittert. Es hatte zusammen mit lauter Unterhosen von ihm im Rucksack gelegen. Also war das Kleid jetzt verhunzt und roch nur noch nach seinem Hintern. Ich schob die ganze Schmutzwäsche beiseite und setzte mich aufs Bett, drückte das Kleid an mich. John hatte es verhunzt. Alles hatte er verhunzt. Er hatte eine Strafe verdient.
    Mein Herz krampfte sich zusammen. Ich ballte die Hände zu Fäusten, drückte sie zusammen und zog das Kleid auseinander. Zusammen und auseinander, immer wieder. Bis der Stoff riss. Bis das Kleid riss. Als würde das Kleid auf mein Herz hören.
    Das Reißen machte Spaß. Außerdem hatte er es verdient. Mein Vater, meine ich. Er war nicht da, obwohl er hätte da sein sollen. Er hatte unseren Freitag platzen lassen. Es machte Spaß, und es war schrecklich und ging rasend schnell. Eh ich mich versah, war das Kleid entzwei. Ich ließ den Stoff auf den Boden fallen und verkroch mich unter der Bettdecke.
    Nur einen kurzen Augenblick.
    Dann kam ich wieder hervor, nahm die beiden Stofffetzen und versteckte sie unter meinem Kopfkissen. Ich legte den Kopf aufs Kissen, schloss die Augen und hielt die Luft an. Wie beim Unterwasserschwimmen. Und rein zufällig kann ich das richtig gut.
    Zehn Minuten lag ich so da, dann hörte ich ein merkwürdiges Geräusch. Klopfen. Draußen im Garten war jemand und klopfte an unser Boot. Ich stand rasch auf und kletterte an Deck.
    Ein Polizist stand neben der hohen Leiter, die wir ans Boot gelehnt hatten. »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Hä? Steht da ein Polizist in meinem Garten, lehnt sich an mein Boot und fragt mich, wer ich bin? Das ging mir durch den Kopf. Aber weil er ein Polizist war, sagte ich: »Olivia Marenburg.«
    »Und Sie wohnen hier?«
    Ich nickte.
    »Allein?«
    Darüber musste ich schmunzeln, aber er nicht.
    »Mit meinem Vater.«
    Er nickte und fragte: »Wissen Sie, was im Friseursalon los ist?«
    Ich wusste nicht, wovon er sprach.
    Der Polizist räusperte sich. »Die Tür stand offen, und als ich hineinging, sah ich, dass etwas auf dem Boden liegt. Da ging ich hinten in den Laden, und auch die Tür zum Garten stand offen.«
    »Ach, das ist nicht weiter schlimm«, sagte ich, doch meine Schultern waren ganz steif vor Schreck. O nein! Ich hatte alle Türen sperrangelweit offen gelassen.
    »Wo ist Ihr Vater?«, fragte der Polizist.
    Ich zog die Schultern noch ein bisschen höher.
    »Und wie alt sind Sie?«
    »Elf, fast zwölf.« Letzteres stimmte nicht, aber ich

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