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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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lachen.
    »Es ist so schwer, über sie zu reden, seit sie nicht mehr da ist«, brachte er zwischen zwei Schluchzern heraus. Ich dachte an das Kleid und nickte.
    Ich streichelte ihm weiter über die Hand und wartete, bis seine Tränen ein bisschen nachließen. Jetzt konnte ich ihm unmöglich von dem Polizisten Carel erzählen.
    »Arme Urne. Die ganze Zeit unterwegs«, schluchzte mein Vater.
    »Zum Glück ist Mama immer gern verreist«, sagte ich. Davon musste er noch mehr weinen und gleichzeitig lachen.
    Ich gab ihm einen Schluck von meiner Milch. Ich stellte es mir bildlich vor: die Urne, die allein durchs Land irrte. Auf der Suche nach uns. Den ängstlichen Simon in seinem schwarzen Anzug, der bei jemand anderem klingelte und dann zitternd mit der Urne in der Hand vor der Tür stand. Und dann jemanden, der »Buh!« machte.
    »Hättest du sie nicht einfach bitten können, die Urne ein bisschen länger zu behalten?«
    »Ich war völlig durcheinander. Mir zittern die Hände, wenn ich nur an deine Mutter denke, weißt du? Da kann es sogar passieren, dass ich jemandem aus Versehen in die Nase schneide. Das mögen die Leute gar nicht gern, und dabei brauchen wir so viele Kunden, wie wir nur kriegen können.«
    Ich stellte mir die vielen blutigen Nasen vor und musste gegen meinen Willen kichern.
    »Oder?«, fragte mein Vater schließlich. Ernst nickte ich.
    Wir schaufelten weiter. Ich schwitzte furchtbar in meiner Glücksjacke, zog sie aber nicht aus. Das war die Strafe dafür, dass ich das rote Kleid kaputt gemacht hatte.
    »Walfischboot«, rief mein Vater plötzlich. Er deutete aufs Boot.
    Doch ehe ich darauf reagieren konnte, hatte er die Schaufel fallen gelassen und war in den Friseursalon gestürmt. Mit einer Schüssel in der Hand, in der er mit einem Pinsel rührte, kam er wieder heraus. Es war mal wieder typisch, dass mein Vater erst mit einer Sache anfing und sie dann liegen ließ, um mittendrin etwas ganz anderes zu machen.
    WALFISCHBOOT. Einen Augenblick lang konnte man die geschwungenen Rasierschaum-Lettern deutlich erkennen. Dann verliefen die Buchstaben und hinterließen helle, fast leuchtende Streifen, die über die schmuddelige Bootshaut nach unten rannen.
    »Um das Boot richtig zu taufen, müssen wir noch etwas dagegenwerfen«, sagte mein Vater. »Wie wäre es mit einer Flasche Bier?«
    »Nein, wart mal.« Ich schnappte ihm die Schüssel weg.
    So groß ich konnte, schrieb ich quer übers ganze Boot: MUTTERSCHIFF. Und dann, nach einem kurzen Zögern, schrieb ich darüber: MAMABOOT.
    Aufgeregt klatschte mein Vater in die Hände. »Drei Namen hat es jetzt. Wenn das kein guter Schutz ist! Außerdem wird das Boot vom Rasierschaum auch endlich mal sauber.«
    Schweigend sahen wir zu, wie die Buchstaben im Boden versickerten. Ein Auto fuhr vorbei, ein Hund kläffte. Es klang nach einem kleinen Hund. Vielleicht ein Pudel.
    »Weißt du was?«, sagte ich. »Wir halten einfach den Lauf der Welt an. Das spart eine Menge Ärger.«
    Ich trat einen Schritt zurück, genau auf den Rand der Schüssel, fiel zu Boden, und der Rasierschaum spritzte überallhin, sogar in meine Ohren.
    Über mir hörte ich ein Schnaufen.
    »Jetzt musst du aber mal aufhören zu weinen!«, schimpfte ich.
    Das Schnaufen ging weiter. Ich wischte den Rasierschaum ab und sah zu meinem Vater hoch. Er weinte gar nicht, er lachte.
    Ich schubste ihn, er schubste zurück, da stürzte ich mich auf ihn, und er tat so, als würde er umfallen, damit ich gewonnen hätte.
    »Du sollst einen fröhlicheren, verantwortungsvolleren Vater bekommen«, sagte er. »Ich gebe mir große Mühe, Olli. Hiermit verspreche ich dir feierlich, dass ich nicht mehr weinen werde.«
    Dann brachten wir unsere schmutzigen Kleider in den Waschsalon. Als wir zurückkamen, legte sich mein Vater an Deck. In der glutheißen Kajüte schlüpfte ich in meinen zu engen Badeanzug und zog die Glücksjacke wieder an.
    Mein Vater runzelte die Stirn, als ich mich neben ihn legte. »Hey, die Jacke hatte doch mal Fransen? Hast du sie abgeschnitten?«
    »Gar nicht. Das bildest du dir bloß ein.«
    »Ach, schade. Mir haben die Fransen gefallen.«
    Bald schon schnarchte mein Vater neben mir, während ich schwitzend auf mein Buch starrte, ohne zu lesen. Er war von der Arbeit müde. Ich war auch müde. Vom Nichtweinen.
    Meine Mutter hat es meistens witzig gefunden, wenn er sich kindisch benahm. »Zwei Kinder habe ich«, hat sie dann immer gesagt.
    Ich hörte meinem Vater beim Schnarchen zu und sah andauernd

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