Olympiareife Nummern
ich
großzügig.
„So. Es würde dich also nicht stören, wenn Papa ... sagen wir mal, z.B. mit Herrn Kruse rummachen würde?"
Das ist der neue junge Mathelehrer, von dem sie schwärmt. „Der ist total nett", hatte sie ganz begeistert neulich Abends erzählt, „und kann unheimlich gut erklären." Katharina stand noch nie auf Mathe. Neuerdings schon. Das muss mit der „Ära" Kruse zusammenhängen.
„Sieht er etwa auch aus wie Timo Hildebrand?", hatte Jan sie lachend gefragt. Timo Hildebrand, der Keeper vom VfL Stuttgart, ist nämlich ihr Schwärm!
„Nee ... überhaupt nicht," sagte sie, „aber blond ist er auch." Als wir am Wochenende drauf die Sportschau guckten und ein junger Leverkusener Spieler ins Bild kam, sprang sie vom Sofa auf.
„Aber ... der sieht ja ... wer ist das?", fragte sie mich hektisch.
„Fritz", sagte ich, „Clemens Fritz. Der hat letztes Jahr noch bei Karlsruhe gespielt... wieso?" Sie kriegte ihren Mund gar nicht mehr zu.
„Genau wie Herr Kruse", murmelte sie. Ich sah mir Herrn Fritz genauer an und konnte direkt nachvollziehen, warum sie so angetan war. „Och ja, nicht schlecht ... ob ich das nächste Mal zum Elternabend gehe?", dachte ich.
„Also Jan und Herr Kruse-Fritz?", frage ich, „na hör mal, das ist ja wohl was ganz anderes! Mats und ich sind schließlich früher mal ... ziemlich intim gewesen ... wir kannten uns quasi in - und auswendig", kichere ich. „Ferkel", sagt sie, „aber ich hab schon verstanden ... du darfst dir mehr herausnehmen und knutschen, Papa nicht... na warte, das steck' ich ihm!"
„Das weiß er doch, dass ich geknutscht habe", sage ich, „er hätte sogar noch mehr toleriert..."
Ich räkele mich wohlig in der Erinnerung an dieses unglaubliche Vertrauen von meinem unglaublichen Jan ... „wird Zeit, dass er wiederkommt", denke ich voller Vorfreude. „Ehrlich? Boah ... und du hast es nicht gemacht?" Ich setze mich auf und sehe sie ganz schön pikiert an. „Na, sag mal, wofür hältst du mich?"
„Für 'n ganz schönen Aufreißer ... was Uli alles so erzählt hat..."
Sieh' an, Uli, die alte Tratschtunte! In Katharina hat er ja seit Josys Hochzeit eine „echte" Freundin. Er und Dietlinde saßen den ganzen Abend mit ihr zusammen und tuschelten. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich sagen: Liebe auf den ersten Blick.
Er muss ihr allerhand erzählt haben, denn ab und zu macht sie jetzt manchmal so bedeutungsschwangere Sprüche. „Wollen wir nicht mal zusammen Squash spielen?", hatte Jan mich kürzlich gefragt.
„Nee", hatte Katharina gleich geantwortet - ich hatte noch nicht mal den Mund aufgemacht, so schnell war sie - „Nick macht sich überhaupt nichts aus Squash ... nicht, Nick? Das hast du doch bloß mal 'ne Zeitlang gespielt, damit du Bastian kennen lernst, oder?" Stimmte ja, aber ... „Und Badminton hast du doch auch bloß wegen Tom angefangen, nicht?" Jan hatte bloß amüsiert gegrinst. Als wir an dem Abend im Bett lagen, hatte er sich neben mich aufgestützt und mich lange angesehen.
„Na, mein kleiner Draufgänger ... hast du dir jetzt die Hörner abgestoßen?"
Wie konnte er das fragen?
Wenn ich so was wie ihn schon vorher kennengelernt hätte, dann wären mir einige Erfahrungen erspart geblieben ... waren ja nicht alle toll.
„Also was war jetzt mit der Frau?", fragt Katharina wieder. Wie passend. Sie ist äußerst hartnäckig. „Na, was soll schon gewesen sein? Ich hab' sie auf 'ner Fete kennengelernt und wir haben's probiert und das war's ...", versuche ich das für mich unerquickliche Thema schnell vom imaginären Tisch zu wischen.
„Nee", sagt sie lachend, „so nicht! Jetzt mal schön der Reihe nach!" War ja klar.
„Also gut", seufze ich ergeben, „es war kurz nach dem Abi und überall stiegen die Feten. Alle Eltern stellten ihre Wohnzimmer, Keller oder sonstigen Räumlichkeiten zur Verfügung, weil sie erleichtert und dankbar waren, dass ihre Sprösslinge sie nicht enttäuscht hatten ... und manche Eltern meinten, sie müssten ein bisschen auf uns aufpassen, damit wir nicht allzu sehr über die Stränge schlugen ..." Katharina hat sich auf den Bauch gedreht und sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Nee, ne ...? Keine Mutter, oder?"
„Doch ...'ne junge Stiefmutter", sage ich und kann dabei den Hauch von Verlegenheit, der in meiner Stimme mitschwingt, nicht vollständig unterdrücken, „die war erst neunundzwanzig oder so ..."
Karen hieß sie. Superschlank, mit ganz kurzen dunklen Haaren.
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