Olympiareife Nummern
fiel's mir auch ein: Sie hatte mich extra gebeten, früher nach Hause zu kommen. Sie war verdammt sauer und sie hatte auch allen Grund dazu. Ich wollte
gerade eine Entschuldigung vorbringen, da sagte sie eisig: „Ich will nichts hören ... nichts. Nächstes Jahr bist du dran. Allein!" War ja nur fair, oder? Nun bin ich also dran.
Ich hatte Nick sogar angeboten, sich frei zu nehmen, um's ganz alleine durchzuziehen. „Was? Du schickst mich weg?"
„Nick ... Kindergeburtstage sind anstrengend ... ich wollte dir nur damit sagen, dass du dir das nicht antun musst." „Antun? Es ist Lilys Geburtstag! Ich will dabei sein!" „Stell's dir nicht so toll vor ... sie werden die ganze Zeit um uns herum sein und erwarten, dass wir den Kasper machen! Ich finde so was anstrengend." „Darf ich mir was ausdenken?", fragte er. „Was? Aber ja! Was immer du willst!" Ich hatte gedacht, es war nur so 'n Spruch, aber als es soweit war, kam er am Vormittag mit mehreren weißen Laken an. Und als die Geburtstagsgesellschaft um den Kaffeetisch saß (genaugenommen Kakao-Tisch) und Waffeln aß, die ich machte, sah ich, wie er sie im Garten auf den Rasen legte. Danach sah er rein und fragte: „Seid ihr fertig mit Essen? Kann's endlich losgehen?" Unfassbar, er war richtig wild darauf, sie zu beschäftigen! Wir gingen alle raus und ich guckte genau so neugierig wie Lily und ihre fünf kleinen Mädchen die Farbeimer an, die er neben die Laken auf den Rasen gestellt hatte. Goldene Regel: immer so viel Kinder einladen, wie das Kind alt wird... „Was ist das?", fragte ich.
„Fingerfarbe", sagte er, „Kinder stehen doch auf Schmierereien, oder?" Und er musterte kritisch die sechs kleinen Püppchen in ihren feinen Kleidchen.
„Zieht euch am besten aus", befand er dann, „warm genug ist es ja!" Wir hatten einen schönen Mai. Kurze Zeit später wälzten sie sich bereits als lebende Stempelkissen nackt auf den Laken herum und noch ein wenig später rannten sechs kleine bunte Mädchen im Garten hinter Nick her, um den vollzuschmieren, der sich zwischenzeitlich solidarisch seine alte abgeschnittene Jeans angezogen hatte. Sie verfolgten ihn mit begeisterten Schreien und irgendwann ergab er sich. Geduldig ließ er sich vollmalen.
„Ich glaub', Lily und ich müssen heute noch in die Wanne", sagte er, mich angrinsend. „Kindergeburtstag ist doch nett! Was du aber auch hast... war doch gar nicht anstrengend!" Für mich war's der erste Kindergeburtstag, der mir richtig Freude bereitet hatte, weil ich nichts, aber absolut nichts zu tun hatte! Weder Streithähne trennen, noch Topfschlagen machen oder Schatzsuchen organisieren, alles so Greuel, die eine derartige Feier mit sich bringt.
Eine Mutter sagte beim Abholen ihres glücklichen bunten Kindes am Abend zu Nick (ebenso bunt, aber letztendlich doch ein bisschen k.o.): „Toll! Kann man Sie mieten?" Ja, so ist er!
Ein total verrückter Kerl. Das ist mein Nick.
Lilys Weihnachtsbild hat er tatsächlich eingerahmt und auf seinen Schreibtisch gestellt. Es zeigt Lily zwischen Nick und mir. Oben rechts scheint eine lachende Sonne, während links zwei Regenwolken stehen, die auf Lily und mich herabregnen. „Guck mal", hatte Nick fröhlich gefeixt, „ich hab' mal wieder Glück. Der Regen trifft mich nicht! Außerdem bin ich schön glatt, während du mal wieder zum Rasierer greifen könntest!"
Lilys „Kunstwerk"
Er sieht fast alles positiv, ist immer optimistisch. Vielleicht liebe ich ihn deshalb so. Renate dagegen war oft sehr depressiv und konnte mich regelrecht ausbremsen und mir ein schlechtes Gewissen machen, wenn es mir gut ging. Sie war vermutlich unzufrieden mit ihrer Lebenssituation, konnte dies aber nicht zugeben, sondern lediglich zum Ausdruck bringen, indem sie mich mit Liebesentzug strafte, bis ich schließlich keinen Bedarf mehr spürte und gleichgültig wurde.
Im Wohnzimmer gehe ich zum Regal und nehme die kleine Schachtel in die Hand, in der sich die Fotos von Nick befinden, die mir Franziska geschenkt hat. Denke zurück an den Abend, als ich es ohne ihn einfach nicht mehr aushalten konnte und ich ihn verzweifelt suchte - und schließlich von Josy Franziskas Adresse bekam. Ich setze mich auf die Couch und sehe sie mir an.
Nick als haarloses Baby - zahnlos grinst er in die Kamera.
Mit Eis bekleckert, eine Grimasse ziehend. Er war ein zartes Kleinkind. Auf einer Schaukel sitzend, mit längeren Haaren.
„Hier siehst du wie ein Mädchen aus!"
„Ach was, so 'n Blödsinn!" Er
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