Olympiareife Nummern
war empört.
„Doch ... fehlt nur ein Kleidchen!"
„Fang du auch noch an ... !"
„Womit?"
„Ach, Dietlinde will mich immer als Frau ausstaffieren!" Er würde bestimmt sehr gut aussehen. Aber das sagte ich ihm lieber nicht.
Und dann in Shorts,Trikot und Torwarthandschuhen. Der Ball vor ihm wirkt so riesig. Da ist er sechs Jahre alt. Mein kleiner Nick. Es ist mein Lieblingskinderfoto von ihm, weil er da schon genau so guckt wie er es auch heute manchmal tut. Zwar ernst, aber das Lachen ist schon in seinen Augen zu sehen.
Ich starre das Bild an und plötzlich fühle ich, wie mir eine Träne aus dem Auge läuft. Es bleibt nicht bei der einen. Wann habe ich das letzte Mal geweint? Ich weiß es nicht. Aber aus Sehnsucht habe ich noch nie vorher geweint, das weiß ich genau.
Nick
Deutschland -Schweden ,2:2., Halbzeitpause. Bloß gut, dass ich vorhin beim Fernsehen keine Gelüste gekriegt habe, sonst wäre ich womöglich ins Hintertreffen geraten bei unserem Wettkampf!
(Ich danke an dieser Stelle Hugh Grant und Julia Roberts und auch Uli für's Abschließen seines Videoschranks, aber ich schwöre, ich krieg's noch raus, irgendwann krieg ich's raus, auf was er klammheimlich steht... !) „Wann hast du denn die vielen Haare gekriegt?", frage ich und betrachte fasziniert die eigenwillige Wuchsrichtung seines Brustfells. Er küsst mich auf die Stirn, ich liege mit dem Kopf auf seiner Schulter. „Damals warst du noch ganz unbehaart!" „Ach, gleich als ich wieder zurück war, ging's los", sagt er, „wahrscheinlich hast du für den Wahnsinnshormonschub gesorgt... ich dachte schon, die würden mich zurück in den Urwald schicken ... aber sag' mal, seit wann bist du denn so geräuschvoll? Damals warst du noch ganz leise ... Arne weiß spätestens jetzt Bescheid." Jetzt erst? Ich wette, der hat den Braten schon früher gerochen, würd' ich mal sagen. Ich war ziemlich laut. Und ehrlich gesagt, das hab' ich sogar mit Absicht gemacht, um seinem faden Typen eins auszuwischen, zumindest am Anfang - später hatte ich dann keine Kontrolle mehr...
„Du bist ganz schön gewachsen ... überall ...", sage ich zweideutig, „von M auf XXL ..."
Er braucht sich nicht zu verstecken. Echt nicht. Er hat wirklich was zu bieten.
Gut, dass wir vorher über unsere Gesundheitsatteste geredet haben, normalerweise lass ich mich da auf keine Diskussionen ein und mach's immer mit, aber bei Mats ...? Ich hätte bloß diese Normalgrößen vorrätig gehabt, aber er hätte die glatt gesprengt bei seinen Ausmaßen. Mats grinst. „Wie hieß er doch? Du weißt, wen ich meine ... aus dem Buch ... der mit dem Riesending ...!" Ich weiß sofort, wen er meint.
„Ja ... warte mal, ich hab's gleich ... Charlie! Peter und Charlie! Und mit Nachnamen",
„Peter Martin und Charlie Mills", vervollständigt Mats. „Stimmt. Gordon Merrick."
Das hatten wir uns damals gegenseitig auf englisch vorgelesen. Zwischendurch, wenn wir mal Pause machten und um unseren Appetit wieder anzuregen.
Ich hab's natürlich immer noch. Beinahe hätte es sich Christoph neulich ausgeliehen, weil er was suchte. „Haste was auf englisch?", fragte er mich und stand vor meinem Regal. Und mit einem Griff zog er es hervor. ,The Lord Won't mind ...', wüßt' ich doch, du hast was!" „Nur so oder für die Schule?", fragte ich. „Für die Schule natürlich, wir sollen was lesen und 'ne Zusammenfassung schreiben." Ich nahm ihm das Buch weg. „?Dann ist das vielleicht nicht gerade das Richtige", sagte ich milde. Christoph grinste. „Wieso? Was steht denn drin?" „Geile Sachen natürlich! Du kennst mich doch!" „Steht da richtig drin, wie's ... geht?", fragte der frühreife Knabe neugierig.
„Hm ... aber auf englisch eben ... vielleicht solltest du aber erst mal was anderes lesen ... also wie's die Jungs mit den Mädchen machen ..." Ich suchte in meinem Regal, „hier, was Anständiges, harmloses, echte Literatur, für die Schule gerade richtig ... ,The Pearl', von John Steinbeck. Das ist auch nicht so lang ... ich hab's auch in der Schule gelesen ... und nun zisch' ab, ich hab' zu arbeiten." An der Tür drehte er sich noch mal um.
„Darf ich's trotzdem lesen? Das Andere, mein ich ..." „Mal sehen ... hinterher kommst du noch auf dumme Gedanken!"
„Ach, du bist doof!"
Mats lacht.
„Und die eine Stelle liebten wir besonders, weißt du noch? Wir versuchten es immer nachzustellen ...!"
„Hör bloß auf, grinse ich, „wenn ich dran denke ... das war 'ne Lachnummer,
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