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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nur, wenn die Fax-Maschinen und Speichermod u le im Orbit für die Menschen wieder eingeschaltet wurden.
    Zweitens kannte Harman jetzt mehrere Methoden, wie er wieder zu den Ringen hinaufkam, und hatte sogar eine vage Ahnung von dem fremdartigen Hexenwesen namens Sycorax, das jetzt das ehemalige nachmenschliche Orbitaluniversum dort oben regierte, aber er hatte nicht den leisesten Schimmer, wie er und andere Sycorax und Caliban bezwingen konnten – denn Harman war s i cher, dass Setebos seinen einzigen Sohn zu den Ringen hinaufg e schickt hatte, um die Fax-Funktion außer Kraft zu setzen. Eins war ihm allerdings klar: Wenn sie doch den Sieg davontrugen, würde er in weiteren kristallenen Schreinen ertrinken müssen, bis er alle erforderlichen techn i schen Informationen besaß, um die komplizierten Fax- und Sensor-Satelliten zu reaktivieren.
    Drittens wusste Harman, während er die zahlreichen Funkti o nen studierte, die ihm jetzt zur Verfügung standen – viele von ihnen waren damit beschäftigt, seinen eigenen Körper und Geist zu überwachen und dort gespeicherte Daten zu finden –, dass es kein Problem sein würde, die neu gewonnenen Info r mationen weiterzugeben. Eine der verlorenen Funktionen war eine simple Weitergabe-Funktion, eine Art umgekehrtes Sigln; Harman kon n te einen anderen Altmenschen berühren und die in RNA-DNA-Käfigen eingesperrten Proteinspeicherpakete auswählen, die er herunterladen wol l te, und schon würden die Informationen durch sein Fleisch und seine Haut zu der and e ren Person strömen. Diese Funktion war vor fast zweitausend Jahren für die Prototypen der Kleinen Grünen Männchen perfektioniert und rasch für die menschliche Nanozyten-Funktion adaptiert worden. Alle Altme n schen besaßen diese nano-induzierte, an DNA gebundene Spe i cherfähigkeit, und alle Altmenschen besaßen die hundert latenten Funktionen in ihrem Körper und ihrem Geist, aber es brauchte jemanden mit den entsprechenden Kenntnissen, der den Prozess der Wiederbel e bung dieser Fähigkeiten in Gang setzen konnte.
    Harman musste lächeln. Moira konnte einen mit ihren vielen kleinen Insiderscherzen und obskuren Anspielungen nerven – nein, sie nervte einen damit –, aber er verstand jetzt, wieso sie ihn dauernd »mein junger Prometheus« nannte. Prometheus b e deutete Hesiod zufolge »der voraus Bedenkende« oder »Pr o phet«, und bei Aischylos wie auch in den Werken von Shelley, Wu und anderen großen Dichtern war die Figur des Prom e theus der Titanen-Revolutionär, der den Göttern grundlegende Kenntnisse – das Feuer – stahl und sie den unterwürfigen Menschen brachte, wodurch er sie fast zu Göttern erhob. Fast.
    »Deshalb habt ihr uns die Funktionen vorenthalten«, sagte Harman, ohne zu merken, dass er laut sprach.
    »Wie bitte?«
    Er sah die Nachmenschenfrau an, die im zunehmenden Hal b dunkel neben ihm herschritt. »Ihr wolltet nicht, dass wir Götter werden. Deshalb habt ihr unsere Funktionen nicht aktiviert.«
    »Natürlich.«
    »Aber alle NMs außer dir haben beschlossen, auf eine andere Welt oder in eine andere Dimension zu wechseln und Götter zu spielen.«
    »Natürlich.«
    Harman verstand. Das oberste Bedürfnis und erste Vorrecht e i nes Gottes – sei er klein oder groß – war es, keine anderen Götter neben sich zu haben. Er vertiefte sich wieder in seine Überlegu n gen.
    Seit dem kristallenen Schrein hatte sich Harmans Denkweise verändert. Während seine Gedanken früher um Dinge, Orte, Me n schen und Gefühle gekreist hatten, waren sie jetzt größte n teils figurativ – ein komplizierter Tanz von Metaphern, Met o nymien, Ironien und Synekdochen. Milliarden von Fakten – Dinge, Orte und Menschen – saßen in seinen Zellen, sodass sich der Bren n punkt seiner Gedanken auf die Zusammenhänge, die Schattieru n gen und Nuancen der Dinge, ihre erkenntnisrel e vanten Aspekte verlagert hatte. Gefühle waren immer noch da – wenn überhaupt, stärker denn je –, aber wo sie früher wie ein großer, dröhnender Bass aufgewallt waren, der das restliche Orchester übertönte, tanzten sie nun wie ein zartes, aber kraf t volles Geigensolo.
    Viel zu viel Metaphern-Murks für ein mickriges Menschlein, dac h te Harman mit einem ironischen Blick auf die Vermessenheit seiner Gedanken. Und allerhand Alliterationen von einem angsterfüllten Arschloch.
    Trotz seines Selbstspotts wusste er, dass er nun die Gabe b e saß, die Objekte seiner Gedanken – Menschen, Orte, Dinge, G e fühle, sich selbst

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