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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zumindest präzise g e nug, um ihn zum Kommando- und Kontrollzentrum zu führen –, aber die Leiter nach oben zur Offiziersmesse und der Man n schaftsmesse war fort. Dieses U-Boot bestand größtenteils aus Superlegierungen, die selbst hier unter dem Meer noch weitere zweitausend Jahre halten würden, aber die Leiter – seine Pr o teinbündel erklärten ihm, sie habe Gangway geheißen – war längst verrostet.
    Er grub die Finger in den Schlick und die wedelnden Fächer zu beiden Seiten des schrägen Schachts, hoffte, dass er sie nicht ins Maul eines anderen Aals steckte, und zog sich durch die grüne Suppe des Meeres mühsam nach oben. Schwebstoffe und Bündel lebender radioaktiver Partikel blieben an seiner The r mohaut kleben, und er musste sie von seinen Gläsern und se i ner Osmosemaske abwischen.
    Als er das Deck mit der Offiziersmesse erreichte, war er kurz davor zu hyperventilieren. Er wusste aus Erfahrung, dass die Osmosemaske ihm weiterhin guten, frischen Sauerstoff liefern würde, aber das Gefühl des Drucks auf jeden Quadratzentim e ter seines Körpers machte ihm schwer zu schaffen. Er brauchte nicht auf Speichermodule zuzugreifen, um zu wissen, dass die Thermohaut ihn auch vor der Kälte und dem Druck schützen würde – ein solcher Anzug hatte ihn schon einmal in der Schwerelosigkeit des Weltraums am Leben erhalten –, aber der Weltraum war ihm sauberer vorgekommen.
    Ob dieser Schleim, der meine Augengläser überzieht, wohl ein Überbleibsel der Männer und Frauen ist, aus denen die Besatzung di e ses Bootes bestanden hat?
    Er verdrängte solche Gedanken. Sie waren nicht nur makaber, sie waren absurd. Wenn die Crew mit diesem Boot untergega n gen war, hatten die ewig hungrigen Bewohner des Meeres ihre Gebeine binnen ein paar Jahren sauber abgenagt und dann in fast ebenso kurzer Zeit die Gebeine selbst gefressen und ze r setzt.
    Aber trotzdem …
    Harman konzentrierte sich darauf, sich seinen Weg durch das Wirrwarr überwucherter und zusammengebrochener Kojen nach achtern zu bahnen. Dass dies ein Schlafraum für Me n schen gewesen war, erkannte er nur dank der Schemazeic h nung in den zerfallenden Speichermolekülen des Sprengkopfs; jetzt sah es hier wie in einer überwucherten Krypta aus, deren dick mit Schwämmen bewachsene graue Fächer mutierte Krebswesen und lichtscheue Aalwesen statt die verwesenden Leiber von Montagues oder Capulets beherbergten.
    Ich muss wirklich mehr von diesem Shakespeare lesen. So vieles in den Datenpaketen hängt mit seinen Gedanken und Schriften zusa m men, dachte Harman, während er eine offene Luke durchquerte, Stalagmiten aus Schleim beiseite schob und in einen ehemal i gen Speiseraum schwebte. Der lange, frühere Esstisch erinnerte ihn aus irgendeinem Grund an Calibans Kannibalentafel auf Prosperos Insel. Vielleicht lag es daran, dass der Schwamm und die Mollusken hier zu einem blutigen Rosa mutiert waren.
    Harman wusste, dass er am anderen Ende der rosafarbenen Speisehöhle eine senkrechte Leiter – eine echte Leiter diesmal, keine schräge Gangway – zu dem integrierten Funkraum hi n aufsteigen musste, bevor er durch den Horchraum nach ac h tern zum Kommando- und Kontrollzentrum gehen konnte.
    Da war keine Leiter. Und diesmal war der enge Schlauch des senkrechten Gangs von grünen und blauen Meeresgewächsen verstopft, die Harman an Daemans Beschreibung des in ein Blaueis-Nest verwandelten Paris-Krater erinnerten.
    Dieses Netz hatte jedoch irdische Meeresflora und -fauna g e woben, wenn sie auch noch so mutiert war, und Harman b e gann, es zu zerreißen; grunzend rupfte er große Hände voll L e ben aus, das über Jahrhunderte hinweg langsam vorgedrungen war und sich überall breitgemacht hatte, und wünschte sich die ganze Zeit, er hätte ein Beil. Das Wasser um ihn herum füllte sich mit einer solch zähen Masse, dass er nicht einmal mehr seine Hände sah. Etwas Langes und Glitschiges – ein weiterer Aal? Eine Seeschlange? – glitt an seinem Körper entlang und verschwand unter ihm. Er riss weiterhin Klumpen und Brocken von dickem, schlammigem, radioaktivem Zeug aus und kämp f te sich durch die trübe Brühe nach oben.
    Er fühlte sich, als würde er noch einmal geboren, diesmal j e doch in eine viel schrecklichere Welt.
    Es war ein solcher Kampf, dass Harman, nachdem er sich zum Funkraum-Deck hochgearbeitet hatte, nicht sofort merkte, dass er am Ziel war. Überall hingen grüne Ranken, das Wasser war dermaßen mit Schwebeteilchen angefüllt, dass ihn

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