Olympos
… ich schlage vor, damit befassen wir uns, wenn wir das Wrack gefunden und festgestellt haben, ob wir überhaupt an die Sprengköpfe herankommen.«
»Dieser direkte Sonar-Input ist wirklich ein komisches G e fühl«, sagte Orphu. »Nicht so sehr, als würde ich besser hören, sondern eher so, als hätte sich meine Haut auf einmal ausg e dehnt und … «
»Da ist es«, unterbrach ihn Mahnmut. »Ich sehe es. Das Wrack.«
Die Perspektiven und visuellen Horizonte hier auf der so viel größeren Erde waren natürlich anders als auf dem Mars, an den er sich fast schon gewöhnt hatte, und die Entfernungen wirkten noch unproportionierter als auf dem winzigen Europa, wo er all die anderen Standardjahre seines Daseins verbracht hatte. Aber die Sonar-Anzeigen, das Tiefenradar, die Massen-Detektions-Geräte und seine eigenen Augen sagten Mahnmut, dass das Heck dieses Wracks ungefähr fünfhundert Meter v o raus war – es lag auf dem mit Schlick bedeckten Boden ein kle i nes Stück unterhalb der Dark Lady, deren Tauchtiefe gegenwä r tig siebzig Meter b e trug –, und dass dieses zerknautschte U-Boot selbst ungefähr fünfundfünfzig Meter lang war.
»Guter Gott«, flüsterte Mahnmut. »Kannst du das per Radar und Sonar sehen?«
»Ja.«
Das Wrack lag auf dem Bauch, zum Bug hin abfallend, aber der Bug selbst war nicht zu sehen; er befand sich jenseits des schimmernden Kraftfelds, das den atlantischen Ozean von dem trockenen Streifen Land zurückhielt, der von Europa bis nach Nordamerika verlief. Mahnmuts staunender Blick ruhte jedoch auf der Lichtwand der Bruchmauer selbst. Hier in über siebzig Meter Tiefe, wo sogar in den sonnenhellen Meeren der Erde der Boden tintenschwarz sein sollte, erhellte gesprenkeltes Sonne n licht die Wassergrenze und tüpfelte den moosgrünen Rumpf des gesunkenen U-Boots.
»Ich sehe, was ihm den Garaus gemacht hat«, sagte Mahnmut. »Siehst du per Radar und Sonar diesen aufgesprengten A b schnitt des Rumpfes, vermutlich über dem Maschinenraum? Direkt hinter der Stelle, wo der Rumpf sich zum Höcker des lang gestreckten Raketenraums aufwölbt?«
»Ja.«
»Ich glaube, da ist eine Unterwasserbombe, ein Torpedo oder eine Rakete explodiert. Siehst du, dass die Rumpfplatten dort alle nach innen gebogen sind? Die Explosion hat auch den S o ckel des Segels aufgerissen und es nach vorne geneigt.«
»Was für ein Segel?«, fragte Orphu. »So eins wie das dreieck i ge Ding auf der Feluke, mit der wir in den Valles Marineris nach Westen gefahren sind?«
»Nein. Ich meine diesen Teil, der ganz vorne aufragt, fast an der Kraftfeldmauer. In der Frühzeit der U-Boote hat man das als Kommandoturm bezeichnet. Nachdem sie im zwanzigsten Jahrhundert begonnen hatten, atomgetriebene U-Boote wie di e sen Boomer zu bauen, nannten sie den Kommandoturm › S e gel ‹ .«
»Warum?«
»Ich weiß nicht, warum«, erwiderte Mahnmut. »Oder vie l mehr, ich habe es irgendwo in meinen Datenbanken, aber es ist unwichtig. Ich möchte mir nicht die Zeit nehmen, eine Suche durchzuführen.«
»Was ist ein Boomer?«
»Boomer ist der Kosename der Menschen aus dem frühen U n tergegangenen Zeitalter für ein U-Boot mit ballistischen Rak e ten wie dieses«, sagte Mahnmut.
»Sie haben Maschinen, die nur zu dem Zweck gebaut wurden, Städte, Menschenleben und sogar den ganzen Planeten zu ze r stören, Kosenamen gegeben?«
»Ja. Dieser Boomer ist wahrscheinlich ein oder zwei Jahrhu n derte, bevor er hier versenkt wurde, gebaut worden. Vielleicht von einer der damaligen Großmächte, die ihn dann an eine kleinere Gruppe verkauft hat. Etwas hat ihn hier versenkt, la n ge bevor diese Furche im atlantischen Ozean entstanden ist.«
»Kommen wir an die Schwarzloch-Sprengköpfe heran?«, fra g te Orphu.
»Mal sehen.«
Mahnmut lenkte die Dark Lady zentimeterweise vorwärts. Da er nicht mit der Kraftfeldmauer und der leeren Luft dahinter in Berührung kommen wollte, ging er nur bis zum Raketenraum des Wracks an dieses Kraftfeld heran. Er bestrich das ganze Wrack mit den starken Scheinwerfern der Dark Lady, während seine Instrumente das Innere des alten U-Boots sondierten.
»Irgendwas stimmt da nicht«, murmelte er auf ihrer Privatle i tung.
»Was stimmt nicht?«, fragte Orphu.
»Das U-Boot ist mit Anemonen und anderer Meeresflora und -fauna überwachsen, und im Inneren wimmelt es von Leben, aber es ist, als wäre es erst vor etwa einem Jahrhundert gesu n ken. Dabei hätte es schon vor rund zweieinhalb Jahrtausenden
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