Olympos
erinnern.
Das riesige Bild über ihnen klärt sich abrupt. Es ist eine vol l ständig dreidimensionale holografische Projektion von großer räumlicher Tiefe, in leuchtenden Farben, und sie wirkt wie ein großes Fenster in die echte Halle der Götter. Die Bilder werden von einem hervorragenden Raumklang begleitet – Achilles kann die Sandalen der vielen hundert wartenden Götter wi s pernd über den Marmor scharren hören. Selbst Hermes ’ leiser Furz entgeht den Anwesenden nicht.
Die Titanen, Titaninnen, Stunden, Wagenlenker, insektoiden Heiler, namenlosen monströsen Gestalten – alle außer dem Demogorgon – schnappen auf ihre jeweils eigene nichtmensc h liche Weise nach Luft. Nicht wegen Hermes ’ Taktlosigkeit, so n dern wegen der Unmittelbarkeit und Wucht der sich noch i m mer ausdehnenden und alles umgebenden holografischen Pr o jektion. Als das Band aus Licht und Bewegung sich um sie schließt, ist die Illusion sehr mächtig, mitten unter den Unster b lichen in der großen Halle der Götter zu stehen. Achilles zieht die Klinge weiter heraus, weil er denkt, dass Zeus auf seinem goldenen Thron und die tausend olympischen Götter um sie herum den Lärm in ihrer Mitte gewiss hören, sich umdrehen und ihren wirren Haufen hier im Gestank und Halbdunkel des Tartaros sehen werden.
Die olympischen Götter drehen sich nicht um. Es ist eine Ei n weg-Sendung.
Zeus, der auf seinem Thron mindestens fünfzehn Meter groß ist, beugt sich vor, mustert mit finsterer Miene die Reihen der vor ihm versammelten Götter, Göttinnen und Erinnyen und beginnt zu sprechen. Achilles hört deutlich die neue, maßlose Selbstüberhebung des Gottes im archaischen Tonfall jeder lan g samen Silbe:
»Ihr Mächt e des Olympos, hier versammelt,
Die ihr den Ruhm teilt und die Macht des Herrn,
Freut euch! hi nfort werd ich allmächtig sein!
Längst hat sich alles and ’ re mir gebeu gt
Und nur allein der Geist des Menschen loht
Gleich unve rlöschtem Feuer noch gen Himmel
Mit scharfem Vor wurf, Zweifelsmacht und Klagen
Und widerwill i gem Gebet. – Und also
Ent fesselt er die wilde Rebellion,
Die unse r uralt Reich gefährden könnte,
Wiewohl ’ s gebaut ist auf den ält ’ sten Glauben
Und auf der Hölle Helferin, die Furcht. –
Und ob auch meiner Flüche Flockenwir bel,
Wie Schnee auf kahle Gipfel auf ihn fällt
Und kleben bleibt an ihm, ob in der Nacht,
In die mein Zorn ih n hüllt, er Schritt für Schritt
Des L e be ns Klippen auch erklimmen muss,
Die ihn v erwunden, wie das Eis verwundet
Sandalenlose Füße, de n noch bleibt
Erhaben er ob seinem Elend noch
Und strebt empor in ung e zähmtem Stolz,
Doch wird er fallen bald!«
Zeus steht plötzlich auf, und das strahlende Licht, das von ihm ausgeht, ist so hell, dass tausend unsterbliche Götter und ein sehr sterblicher Mensch in einem verschwitzten Chamäleona n zug – der Mensch mit der Tarnkleidung ist für Hephaistos ’ Kamera und folglich auch für alle hier im Tartaros deutlich e r kennbar – einen zaghaften Schritt zurücktreten, während Zeus fortfährt.
»Kredenz den Wein des Himmels, Ganymed,
Wie Feuer füll ’ er die dädal ’ schen Becher,
Und ihr, ihr siegesstolzen Harmonien,
Steigt auf vom blumenreichen heil’gen Boden,
Wie Tau im Zwielicht von der Erde steigt!
Trinkt! Lasst den Nektar, durch die Adern kreisend,
Der Freude Seele sein, ihr ew ’ gen Götter,
Bis euer Jubel schallt in einer Stimme
Gleich der Musik der elysä ’ schen Winde!
Und ihr an meiner Seite seid dabei,
Vom Lichte jenes Wunsches glanzumflossen,
Der euch zu Einem macht mit mir, ihr Götter,
Wenn ich zum einen Gott für euch aufsteige,
Dem einen, einzig wahren Gott, allmächtig,
Dem wahren Herren a l ler Ewigkeit!«
Hephaistos schaltet den Projektor aus Messing und Glas aus. Das riesige, kreisrunde Fenster, das den Tartaros mit der Halle der Götter auf dem Olymp verbindet, verschwindet abrupt, und die Welt verwandelt sich wieder in Schlacke, Ruß, Gestank und rote Düsternis. Achilles spreizt die Beine noch etwas mehr, hebt seinen Schild und hält sein Götter tötendes Messer hinter diesem Schild so in der Hand, dass niemand es sehen kann. Er hat keine Ahnung, was als Nächstes geschehen wird.
Zunächst geschieht eine sehr lange Weile gar nichts. Achilles rechnet mit Rufen, Schreien, Forderungen, Hephaistos solle beweisen, dass die Bilder und Stimmen echt gewesen seien, brüllenden Titanen, auf den Felsen herumhuschenden
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