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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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der Akku ihres MP3-Players leer, sodass sie gezwungen war, dem rauen Boxermotor im Heck zuzuhören, der sie langsam, aber zuverlässig voranbrachte. Die schnelleren Autos bedrängten sie von hinten, viele versuchten sie mit der Lichthupe von der Piste zu verscheuchen, wenn sie gerade einen Lastwagen überholte. Irgendwann platzte ihr der Kragen.
    «Aggro-Idioten!», brüllte sie.
    Dabei hätte sie heute mit einem SUV oder einem schnellen Sportwagen mit Sicherheit auch die Sau rausgelassen. Das Dossier war der größte Erfolg ihres bisherigen Lebens gewesen – und hatte sich als vollkommen sinnlos erwiesen. Drei Monate harte Arbeit umsonst. Ihre Zahlen waren besser als die der sogenannten Fachmänner gewesen, das wusste jeder. Aber für die war sie nur ein junges Ding mit sexy Mandelaugen, das ihre schmutzige Phantasie auf Hochtouren brachte.
    «Ihr Schweine, das kriegt ihr wieder», schrie sie gegen die Windschutzscheibe. «Ich werde die mächtigste Frau Deutschlands! Und dann werdet ihr Staub fressen!»
    Vor ihr näherte sich die erste Anhöhe der Kasseler Berge. Sie gab noch einmal Vollgas, der Käfer brachte es auf rekordverdächtige 95. Aber als es bergauf ging, fing der Motor an zu streiken, der Kilometerzähler fiel auf vierzig, egal, wie sehr sie das Gaspedal durchtrat. Sie versuchte es immer wieder, aber nichts passierte; im Gegenteil, sie wurde nur noch langsamer.
    Das war zu viel für sie.
    Ihr Zwerchfell begann zu zittern, und ihre Nase zog sich zusammen. Sie lenkte den Wagen auf den Pannenstreifen, wo sie die Handbremse zog. Dann schnappte sie sich Fridolin, ihr graues Nilpferd, und drückte es sich gegen das Gesicht, bevor sie ohne Hemmungen losheulte. Fridolin war weich und warm, das tat gut. Es war erbärmlich: Eben wollte sie noch internationale Finanzgeschäfte abwickeln, jetzt mutierte sie wieder zum Kleinkind. Na und? Dann war es eben so! Jade nahm ein paar hastige Schlucke aus der Wasserflasche, die sie an einer Raststätte gekauft hatte. Dann beschloss sie weiterzufahren. Sie weinte sonst selten, aber diese Fahrt wurde immer wieder von krampfartigen Heulanfällen unterbrochen. Hinter Göttingen kam sie langsam wieder auf Normalnull, ab Hannover begann die Vorfreude ihren Frust zu überlagern. Trotzdem würde es mit dem Käfer noch Stunden dauern, bis sie sicheres Terrain erreicht hatte.

    Nach fast zehn Stunden Fahrt rollte sie endlich in Dagebüll über den Deich. Es dämmerte schon, und außer ihr waren nur noch drei weitere Wagen auf der Fähre nach Föhr. Der heftige Nordseewind zerrte und rüttelte an der Karosserie, wilde Wellen klatschten gegen den Kai. Jade stieg aus, lehnte sich lächelnd an den rundlichen Kotflügel des Käfers und ließ ihre Haare vom Wind durchwirbeln. Die Luft roch nach wilder, salziger See, weiße Gischtkronen tanzten auf den Wellen, als würde hier eine Hexensuppe gekocht werden. Hinter der Insel Föhr baute sich eine bedrohliche pechschwarze Wand auf, die bald über alles hereinbrechen würde. Allein die Stadt Wyk wurde noch von der untergehenden, prallen Abendsonne beschienen.
    Einer der jungen Wageneinweiser mit weißer Schirmmütze stellte sich neben ihren Käfer. Er hatte eine krumme Nase, die Jade an irgendeinen Filmschauspieler erinnerte, aber sie kam nicht auf den Namen. Oder war es einer dieser lustigen römischen Legionäre aus Asterix und Obelix?
    «Schickä Kistä», murmelte er. Sein norddeutscher Dialekt war wie Musik in ihren Ohren.
    «Moin, düüret et noch loong?», fragte sie auf Friesisch.
    Moin, dauert das noch lange?
    Der Kerl schaute sie verdattert an. Schon klar, was er dachte: Vor mir steht eine Asiatin und spricht lupenreines Fering – da habe ich mich wohl verhört.
    «Snaakest dü Fering?», fragte er unsicher.
    Sprichst Du Friesisch?
    «Ne, so snaakest jo ok uun Thailand», scherzte sie.
    Nein, so sprechen wir auch in Thailand.
    Der Mann nickte und vertrollte sich, das überforderte ihn irgendwie. Jade lachte still in sich hinein. Es war, als ob sie in ihre Heimat zurückkehrte.
    Die Fährüberfahrt war schaukelig, der Wind pfiff in allen Ecken. Zum Glück machte ihr der Seegang nichts aus. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, stieg sie in ihren Käfer und verließ mit den drei anderen Autos und ein paar Fußgängern die Fähre.
    Vom Hafen in Wyk war es nur ein guter Kilometer zum Erdbeerparadies, das wusste sie. Sie tuckerte die Umgehungsstraße entlang und bog an der zweiten Kreuzung in die Ocke-Nerong-Straße. Links und rechts der

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