Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. Eins stand fest: Sie würde es allen zeigen – ihren Eltern, der Lindner und deren Hündchen Momme gleich mit.
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18.
Das alte Band
Als Arne den Tanzsaal betrat, strömte ihm immer noch der Duft von Erdbeerschaum in die Nase. Man könnte vermuten, so ein Zeug roch sehr künstlich, aber dieser Schaum unterschied sich in fast nichts von einer Schüssel frischgepflückter Erdbeeren. Arne kroch hinter den Tresen und putzte die letzten Pfützen der Schaumparty weg, die sich auch nach einer Woche noch in den Ecken hielten. Alles musste perfekt gesäubert werden, denn er konnte mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihm Ratsfrau Susanne Lindner bald auch noch das Ordnungsamt auf den Hals hetzen würde.
Es sah alles nicht gut aus, obwohl die Teeniedisco wirklich eine hervorragende Idee von Jade gewesen war!
Nebenan in der Kneipe hatte er einen Kaffeetisch für Cord und Narasinee gedeckt, die sich verabschieden wollten. Es ging zurück nach Frankfurt, und Arne war nicht gerade traurig darüber. Während ihrer Woche auf Föhr hatten sie es geschafft, ihre Mutter Imke gerade einmal mit sich zu nehmen. Ein trauriger Rekord. Dass er nicht in seiner Wohnung, sondern in der Kneipe gedeckt hatte, war als kleiner Affront gedacht, denn die war ja ein öffentlicher und kein privater Raum.
Sein schlechtes Verhältnis zu seinem Bruder ging bis in die Kindheit zurück und würde sich wohl nie auflösen lassen. Aus Cords Sicht war er, Arne, das Sonnenkind, dem immer alles zugefallen war, wohingegen der arme Cord sich jeden Schritt im Leben hatte hart erarbeiten müssen. Cord vergaß gerne, dass es Narasinee gewesen war, die ihn zur beruflichen Selbständigkeit überredet und mit ihm zusammen ein Labor für Zahntechnik in Thailand gegründet hatte, wo sie viel kostengünstiger für den deutschen Markt produzieren lassen konnten. Ohne sie wäre er niemals so erfolgreich gewesen, hätte auf der anderen Seite aber möglicherweise auch ein entspannteres Leben geführt. Jetzt war er der große Boss, und das gönnte Arne ihm auch. Dass Arne umgekehrt in Cords Augen eine gescheiterte Existenz war – geschenkt.
Verbissen putzte er weiter, sogar im Akkordeon an der Wand hingen noch Schaumreste. Vielleicht sollte er sich doch von einigen Gegenständen trennen; Putzen und Abstauben in Tanzsaal und Kneipe waren jedes Mal ein wahnsinniger Aufwand. Aber wo anfangen? Alle Dinge hatten im Lauf der Zeit ein Eigenleben bekommen, sie gehörten einfach hierher!
«Moin, Arne!»
Cords Ex – oder was auch immer – betrat den Raum. Was diese Frau an seinem Bruder fand, war ihm ein Rätsel.
«Moin, Narasinee.»
Er legte das Wischtusch beiseite und umarmte sie herzlich. Hinter ihr trottete Cord herein, gefolgt von Jade. Sie schaute so düster drein, als sei sie gerade verhaftet worden. Es gab nichts, was einem mehr Kraft rauben konnte, als die eigene Familie, das galt auch für ihn. Stellte ihn sein alter Schulkumpel Fokko als Versager hin, perlte das letztlich an ihm ab. Wenn Cord genau dasselbe sagte, zog er dafür in den Krieg!
Er bat die drei an die Kaffeetafel, die mit dem alten weiß-blauen Familienporzellan gedeckt war. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Pappbecher hingestellt, aber seine Mutter bestand auf festlichem Geschirr. Sie hielt gerade im Garten ihren Mittagsschlaf und würde später dazukommen. Er wollte sie jetzt nicht wecken.
Der Kaffee war aufgebrüht, und er hatte sogar im Café Steigleder eine Friesentorte besorgt. Sie nahmen Platz und kauten stumm an dem wunderbar schmeckenden Kuchen herum. Keiner fühlte sich berufen, etwas zu sagen. Arne sah sich gelangweilt in der vollgestellten Gaststube um, als sähe er sie zum ersten Mal. In der ehemaligen Kuchenvitrine standen neben «Ditschberger Bier» noch zwei schiefe Stoff-Seehunde, die er mal am Strand verkauft hatte. Auf dem Tresen stand ein Boot der «Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger», neben Bridge-, Rommé- und Canastaspielen parkte eine kleine Holz-Harley im Regal. Auf dem Fensterbrett befand sich ein Verstärker, der mit einer Steckdose verbunden war. Manchmal brachte einer seiner Freunde eine E-Gitarre mit, und gemeinsam daddelten sie hier ein bisschen herum.
«Wir werden Jade mit nach Frankfurt nehmen», brach Cord das Schweigen.
«Nein.» Jade schob ihren Teller weg.
«Das geht schlecht, sie ist Teilhaberin vom Erdbeerparadies», pflichtete Arne ihr bei.
Cords Augen funkelten
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