Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Situation noch möglich war.
«Unsinn», säuselte sie. «Aber heute Abend ist die Hütte wieder voll, da muss eine Menge vorbereitet werden.»
Das war großartig gespielt, dachte Arne. Ein volles Paradies wäre schön gewesen, in Wirklichkeit hatte heute nur die Kneipe auf, und es würden allenfalls ein paar seiner Freunde auf ein Bier vorbeikommen. Wenn überhaupt.
«Komm, Hase», sagte Narasinee und zwinkert Cord zu. «Wir gehen noch ein bisschen an den Strand, bevor die Fähre ablegt.»
«Wir sprechen uns noch», sagte Cord drohend, als seine Exfrau ihn sanft hinausschob. Ob er damit seinen Bruder oder seine Tochter gemeint hatte, war nicht ganz klar.
Arne atmete hörbar auf: «Puh, das wäre geschafft.» Tirilierend wiederholte er die Worte seiner Schwägerin: «Cord, mein kleiner Hase!» Jade musste laut lachen. Seine Mutter hingegen sah bekümmert aus, immerhin war auch Cord ihr Sohn, und sie wollte für alle ihre Kinder nur das Beste.
Er tätschelte tröstend ihre Hand.
«Das renkt sich wieder ein, Mama. Du kennst uns doch.»
Leider wusste er selbst zu gut, dass das nicht stimmte.
Jade ging zum Tresen, um ihrer Großmutter ein Glas Wasser zu holen.
«Was war das überhaupt für ein Band, das Momme dir gebracht hat?», fragte er sie.
«Das habe ich im Karton mit den alten Bildern aus dem Erdbeerparadies gefunden. Momme hat es mir auf CD überspielt.»
HÖREN!, schrieb Oma auf ihren Block.
Also warf Jade die CD in den Rekorder und drehte die Lautstärke im Tanzsaal voll auf. Man hörte zwei Männer auf Englisch zusammen herumalbern, dann sangen sie «What shall we do with the drunken sailor» und in falschem Friesisch mit britischem Akzent «Min eilun feer».
Arne war in Gedanken immer noch bei seinem Bruder, als es ihn plötzlich wie ein Blitz durchfuhr. Das konnte nicht wahr sein! Er sprang vor eine der Boxen und legte sein Ohr dicht an die Membrane. Ihm wurde richtig schlecht vor Aufregung.
«Wo ist das Original?», stöhnte er heiser.
«Bei Momme», antwortete Jade.
«Sag, dass das nicht wahr ist!»
«Wieso, was ist denn damit?»
«Weißt du, wer das ist?», fragte er.
«Irgendwelche Briten.»
«Okay, du bist zu jung …»
«Wer soll das denn sein?», fragte Jade.
«Das, meine liebe Jade, ist meine Rente!», jubelte Arne und tanzte im Raum auf und ab. «Wir können das gesamte Erdbeerparadies vergolden lassen. Dieses Band ist Millionen wert!»
Jade sah ihn skeptisch an.
«Wieso das denn?»
«Das sind Paul McCartney und John Lennon!»
«Äh, wer war das noch mal?»
«Die Beatles!»
«Äh, wer genau waren noch mal die Beatles?»
Anstatt einer Antwort ging Arne zum Tresen. Jetzt brauchte er einen Schnaps.
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19.
Lebenslange Luxusrente
Am nächsten Morgen ließ Arne das morgendliche Joggen auf dem Deich ausfallen. Alles war anders geworden. Ehrlicherweise hatte er das Erdbeerparadies schon fast am Ende gesehen, aber dann war plötzlich wie aus dem Nichts eine Fee mit dem Hauptgewinn aufgetaucht! Statt zu überlegen, wer ihm Kredit gab, konnte er sich demnächst damit beschäftigen, wo und wie er seine Millionen anlegte. Aber Vorsicht, noch war kein Cent auf seinem Konto!
Er hatte die halbe Nacht im Internet recherchiert und saß nun vollkommen übernächtigt am Küchentisch. Von sensationellen Funden dieser Art hatte er bisher nur in der Zeitung gelesen, in der Spalte «Vermischtes aus aller Welt». Er hatte die Schlagzeile schon vor Augen: «Als er auf dem Dachboden einen alten Karton öffnete, staunte Diskothekenbesitzer Arne Riewerts von der Insel Föhr nicht schlecht …»
Oder machte er sich gerade lächerlich?
Er hatte die CD unzählige Male gehört, um sicherzugehen: Das waren eindeutig die Beatles! In seiner Jugendzeit gab es, was Musik anbelangte, zwei Glaubensrichtungen: Beatles oder Rolling Stones. Für Arne war das nie eine Frage gewesen, von den Beatles mochte er nur ein paar härtere Stücke wie «Helter Skelter», der Rest war für ihn Schokolade mit Zuckerguss. Während die Beatles immer süßlicher wurden, blieben die Stones sich treu. Insofern wäre es ein Witz des Schicksals, wenn ausgerechnet Paul McCartney und John Lennon die entscheidende Wende in seinem Leben einleiteten.
Wie viel das Band wohl wert war?
Mit Sicherheit hatte der Vorbesitzer des Erdbeerparadieses, Wally Nickelsen, gar nicht gewusst, welcher Schatz da in seinem Karton lagerte. Aber da er ihm das Erdbeerparadies nun mal mit sämtlichem Inventar überlassen hatte,
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