Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
durfte – allein das trieb ihren Blutdruck steil nach oben. Sie kam sich vor wie in einem der Lieblingsfilme ihrer Mutter, wenn gerade der neue Schwiegersohn in die Familie eingeführt wird.
Schon die Fahrt war der reinste Horror. Ihr Vater kroch unter der erlaubten Geschwindigkeit über die Wirtschafswege und gab alte Schulgeschichten zum Besten.
«Was haben wir alles angestellt, die Lehrer haben sich regelrecht vor uns gefürchtet! Andauernd sind wir mit Booten nach Amrum abgehauen, um die Schule zu schwänzen. Ich meine, auf Föhr hätten die uns ja viel zu schnell erwischt …»
Sie kannte die Geschichten bis ins letzte Detail. Genau wie ihre Mutter, die jedoch bei jeder noch so ausgelutschten Pointe neckisch kicherte, als hörte sie sie zum ersten Mal. Wieso konnten die beiden nicht hübsch und harmonisch getrennt bleiben, wie all die Jahre zuvor?
«Momme Clausen?», fragte Cord plötzlich. «Sind Sie der Neffe von Susanne Lindner?»
«Ganz genau», bestätigte Momme verblüfft. «Kennen Sie meine Tante?»
«Nicht persönlich. Aber als alter Föhringer bleibt man auf dem Laufenden.»
Das war insofern erstaunlich, als ihr Vater schon mehrere Jahrzehnte nicht mehr auf der Insel lebte und ihm Föhr eigentlich verhasst war, was er oft und gerne kundtat. Trotzdem besorgte er sich offensichtlich von Frankfurt aus die wichtigsten Informationen – als sei Föhr seine heimliche Geliebte.
«Es tut mir leid, was mit Ihren Eltern passiert ist», fügte ihr Vater hinzu.
Momme schluckte.
«Danke.»
Musste sie jetzt auch noch etwas dazu sagen? Sie traute sich nicht, also hielt sie einfach den Mund.
Der starke Wind hatte sich in eine angenehme Brise verwandelt, und die Sonne schien nun prall vom blauen Himmel herab. Das Utersumer Restaurant Ual Skinne befand sich in einem wunderschönen alten Reetdachhaus. Vor der Tür gab es einen windgeschützten Außenbereich, der den ganzen Tag in der Sonne lag, außerdem hatte die Küche einen hervorragenden Ruf. Es war nicht gerade eine hippe Szenekneipe, aber keine Frage, hier konnte man es sich richtig gut gehen lassen. Nur wurde jedes noch so tolle Restaurant zur Vorhölle, wenn man im Alter von neunzehn Jahren mit seinen Eltern und einem Jungen dort saß, den man rasend attraktiv fand und vor dem man nicht das Gesicht verlieren wollte!
«Was machen Sie denn beruflich?», fragte ihr Vater neugierig, als sie im Cafégarten Platz nahmen.
Er ließ wirklich keine Peinlichkeit aus.
«Papa!»
«Touristikkaufmann.»
Ihr Vater nickte zufrieden.
«Sehr gut.»
«Und Discjockey, Tontechniker und Hundetrainer», ergänzte Jade. Das kam nicht ganz so gut bei ihren Eltern an, wie sie wusste. Sie setzte noch einen drauf: «Momme hat bei uns im Erdbeerparadies den Discjockey gemacht, inklusive Schaummaschine.»
«Schaummaschine?», staunte ihre Mutter.
«Ja, aber die hat Oma bedient», erklärte Jade.
«Willst du damit sagen, Mama war in der Disco?», fragte ihr Vater entsetzt.
Jade winkte ab.
«Es war nur ein Nebenjob für sie.»
«Es ist dort viel zu laut!»
«Sie hört ja eh nicht mehr so gut.»
Was nicht stimmte, aber egal.
«Das Erdbeerparadies ist eine einzige Schnapsidee», schnaubte Cord und wandte sich an Momme: «Finden Sie nicht auch?»
Momme hob abwehrend die Hände.
«Mich dürfen Sie nicht fragen, ich arbeite bei der Konkurrenz, im Island Palace.»
Ihr Vater war begeistert.
«Das klingt solide. So ein Hippieschuppen wie der von Arne lief vielleicht vor dreißig Jahren, aber doch nicht heute!»
Momme schwieg.
«Arne ist kein Geschäftsmann», setzte ihr Vater nach.
Jetzt hatte sie genug. So durfte niemand über ihren geliebten Onkel Arne reden, am allerwenigsten ihr engstirniger Vater!
«Deswegen bin ich ja seine Teilhaberin geworden. Zusammen werden wir eine Menge Geld machen.»
Was nach der gestrigen Niederlage eine gewagte Behauptung war. Aber lieber würde sie sterben, als sich ihren Eltern gegenüber die Blöße zu geben.
Ihr Vater wurde blass.
«Teilhaberin? Das ist nicht dein Ernst!»
Er war wohl davon ausgegangen, dass sie als Aushilfe dort arbeitete.
«Ich bin volljährig.»
«Und von welchem Geld hast du dich bei ihm eingekauft?»
«Von meinen Ersparnissen.»
Ein schlanker, älterer Kellner mit Vollglatze tauchte auf.
«Darf ich schon mal etwas zu trinken bringen?»
Ihr Vater murmelte: «Sag du doch auch mal was, Hase!»
Damit war wohl weniger der Kellner als ihre Mutter gemeint, die vieldeutig wie immer lächelte: «Was
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