Oma dreht auf
seine Traumfrau, daran hatte sich nichts geändert. Sie wohnten zusammen in einem kleinen, reetgedeckten Hexenhäuschen in Nieblum, das sie von ihrem Opa geerbt hatten. Mittlerweile arbeitete Sönke bei der Kurverwaltung als Marketingleiter und fühlte sich dort pudelwohl.
Aus dem Augenwinkel sah Sönke, wie Oma sich eine stille Träne wegdrückte.
«In letzter Zeit ging es mir nicht so gut», sagte sie. «Ich habe mich schwach gefühlt und alles Mögliche durcheinandergebracht.»
«Ja.»
Daran gab es nichts zu deuteln.
Sie lächelte ihn an: «Das ist plötzlich weg, als wäre es nie da gewesen.»
«Was soll das heißen?» Sönke sah sie skeptisch an.
«Es ist ein Wunder. Als ich bei den Bösingers aufgewacht bin, war ich wieder fit und klar, wie früher.»
«Vorsicht, Oma.»
«Papperlapapp! Auch wenn das nur eine Phase ist, werde ich sie schamlos ausnutzen. Auf meinem Geburtstag lasse ich es richtig krachen.»
Genau so liebte Sönke seine Oma.
Er ging mit dem Tempo runter und wich gekonnt einer Sandbank aus, die fast unsichtbar unter knöcheltiefem Wasser lag. Ihm kamen die seltsamen Namen der Seegebiete um Föhr in den Kopf, die er für seinen Motorbootführerschein gelernt hatte: Theeknobsrinne, Nordmannsgrund und Rütergatt.
«Wann werde ich endlich Urgroßmutter?», fragte Oma unvermittelt.
Sönke zog eine Augenbraue hoch. Was war das denn schon wieder?
«Oma, findest du nicht, mein Sexleben ist meine Privatsache?»
Imke schüttelte vehement den Kopf. «Die Folgen davon betreffen auch die Familie.»
«Du hast immerhin vier Kinder und vier Enkel, ist das nicht genug?»
«Nein.»
«Du bist unersättlich.»
«Ja.»
In Utersum machte Sönke das Boot an einer Boje fest. Es würde nur noch Minuten dauern, bis die Anlegestelle trocken fiel und das Boot im Schlick zur Seite kippte. Erst mit auflaufendem Wasser käme es wieder frei. Er hatte den Wagen hier hinter den Dünen geparkt, und natürlich fuhr er seine Oma die paar Kilometer nach Dunsum in ihre WG .
Christa saß im Bikini am Terrassentisch, um ihre schlanken Beine hatte sie einen Sarong geschlungen. Neben ihr saß Ocke in grauem Designerhemd und kurzer Sporthose. Auf dem Tisch standen bestimmt zwanzig Einmachgläser mit Früchten und an die siebzig Weinflaschen. Es roch nach schwerem, hochprozentigem Rum und Weißwein. Christa verteilte die Früchte in vier bauchige Bowletöpfe zu ihren Füßen, während Ocke eine Flasche Wein nach der anderen darüberkippte. Die beiden schienen eine Menge Spaß zu haben, das eine oder andere Glas hatten sie wohl schon gekostet.
Hatten sie sich keine Gedanken gemacht, wo Imke abgeblieben war? Sie irrte einfach so durchs Watt, und ihnen fiel das noch nicht mal auf? Unglücklicherweise hatte seine Oma ihm im Boot hochfeierlich den Schwur abgenommen, in der WG über die Vorkommnisse auf Amrum erst einmal die Klappe zu halten, daran fühlte er sich gebunden.
«Ach, war Imke bei dir?», fragte Christa Sönke beiläufig, als sie sie kommen sah. «Ich dachte schon, ich müsste mir Sorgen machen.»
Das klang in Sönkes Ohren etwas zu locker. Immerhin hatte er, als amtlicher Vormund seiner Oma, Christa zur Pflegerin ernannt. Er würde mit ihr sprechen müssen, denn so etwas durfte sich auf gar keinen Fall wiederholen. Aber jetzt war es besser, das Thema zu wechseln.
«Wer soll das denn alles trinken?», fragte er mit Blick auf die Flaschen.
«Wenn wir uns alle ein bisschen Mühe geben, kriegen wir das schon hin», sagte Ocke achselzuckend.
Sönke schnupperte an einem Einmachglas.
«Waldbeeren», verriet Oma. «Reine Vitamine.»
«Ist das nicht ein bisschen heftig?», Sönke war wie betäubt vom starken Alkoholgeruch.
Seine Oma stemmte empört die Hände in die Hüften.
«Ihr seid alle viel zu vernünftig geworden!», schimpfte sie und nahm sich erst einmal ein Glas Wein. Dann verschwand sie im Haus, um sich umzuziehen.
Sönke sah ihr besorgt nach. Er bekam das ungute Gefühl, dass Omas Fete mit dieser Bowle aus dem Ruder laufen würde.
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7. Musikanten aus Athen
Imkes Geburtstag begann für Ocke mit der Erfüllung eines heimlichen Traumes: Christa kam barfuß im rosa Pyjama in sein Zimmer gehuscht und setzte sich neben ihn aufs Bett, wo er in seinem hellblauen Lieblingspyjama im Schneidersitz hockte und seine Gitarre stimmte. Von draußen schien die Sonne direkt auf ihn, und ein Westwind heulte ums Haus, der alles mitnahm, was nicht ernsthaft befestigt war. Christas Haare waren
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