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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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noch ganz verwuselt von der Nacht, ihre klaren, blauen Augen strahlten ihn fröhlich an, er roch ihr dezentes Parfüm. Auch er war vorher im Bad gewesen und hatte etwas Amber aufgelegt.
    Einen Moment lang war er versucht, alles zu vergessen, was ihn in den letzten Tagen geärgert hatte. Christas Herrenbesuch, das ständige Chaos in der Wohnung, um das sich niemand außer ihm zu scheren schien. Wenn er die WG wirklich auflöste, würde er so einen Moment wie diesen nie mehr erleben …
    «Moin, Ocke, bist du so weit?», wisperte Christa und hielt kichernd ein großes Paket hoch, das in goldenes Geschenkpapier eingeschlagen war.
    «Nur noch zu Ende stimmen.» Er fummelte an der Gitarre herum. Christa hatte noch nie auf seinem Bett gesessen, es tat fast weh, so schön war das. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er am liebsten mit ihr eine Pyjamaparty bis zum nächsten Morgen gefeiert. Hoffentlich merkte Christa ihm seine Aufregung nicht an.
    «Fertig?»
    Ocke nickte und folgte ihr mit umgehängter Gitarre zu Imkes Zimmertür. Bevor Christa die Klinke herunterdrückte, schaute sie Ocke fragend an. Der lächelte nur, sie zählte mit den Fingern bis drei, dann stürmten sie ohne anzuklopfen hinein.
    Imke schoss im Bett hoch und steckte sich mit der rechten Hand geistesgegenwärtig das Gebiss in den Mund. Danach zeigte sie ihren berühmten koketten Augenaufschlag, als sei nichts passiert. Es war schön, dass sie noch so eitel war, dachte Ocke, das hielt sie am Leben. Er spielte ein kleines Präludium, und Christa tanzte dazu mit dem goldenen Paket in der Hand. So unauffällig wie möglich trocknete sich Imke die Hand an der Bettdecke ab. Sie konnte nicht ahnen, welches Lied jetzt kam, es war auf jeden Fall nicht
Happy Birthday
. Als er mit Christa begann, zweistimmig zu singen, richtete sie sich begeistert im Bett auf.
    Jeden Sonntag kamen sie herüber,
    Unsre Musikanten aus Athen.
    Jeden Sonntag waren sie uns lieber
    Und das können nur wir zwei verstehen.
     
    Immer wieder Sonntags kommt die Erinnerung,
    Ich hör die Bouzuki spielen.
    Grade so wie in der Sonntag Nacht,
    Als das Glück uns zwei nach Haus gebracht.
     
    Immer wieder Sonntags kommt die Erinnerung
    Und da sind dieselben Lieder,
    Die wir hörten in der Sonntag Nacht,
    Als Du mir das Glück gebracht.
    Nachdem sie fertig waren, riefen sie wie aus einem Mund: «Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe Imke», warfen sich auf ihr Bett und drückten sie wie wahnsinnig.
    «Ja ja, schon gut», quietschte Imke. Und nach einer Pause: «Ich war in letzter Zeit ziemlich vergesslich.» Ihre Augen blitzten listig auf, und sie wiederholte singend: «Aber immer wieder sonntags kommt die Erinnerung!»
    «Man fragt sich, warum gerade sonntags», gluckste Christa.
    «Wo doch heute Donnerstag ist», sagte Imke. «Und welche Musikanten aus Athen?»
    «Vom Text her ist das einer der blödesten Schlager, die ich kenne», lachte Ocke. «Aber bei einer Siebziger-Jahre-Party darf er nicht fehlen.»
    «Wenn die jungen Leute meinen, es gäbe heutzutage nur noch schwachsinnige Songs, kann ich nur sagen: Unsere Lieder waren noch schwachsinniger!», rief Imke.
    Nun drängten sich Ocke und Christa von beiden Seiten noch näher an Imke heran und überreichten ihr das Paket, das sie sofort auspackte. Als sie sah, was darin war, lief sie rot an: Es war gefüllt mit ungefähr zweihundert duplo-Riegeln!
    «Wie kommt ihr gerade auf duplo?», fragte sie mit gespieltem Erstaunen.
    Christa und Ocke lachten herzlich.
    «Versuch es erst gar nicht», empfahl Christa. «In einer WG gibt es keine Geheimnisse.»
    Imke versuchte es trotzdem. «Was für Geheimnisse?»
    «Jeder hat ja so sein Abendritual, nicht wahr?», sagte Ocke.
    Imke schaute ihn leicht empört an.
    «Aber es war keiner dabei, der das bezeugen könnte! Oder habt ihr Kameras in meinem Zimmer installiert?»
    «Ja», sagte Christa trocken.
    «Eigentlich genügt ein Blick in den Abfalleimer am nächsten Morgen», verriet Ocke und zog aus seiner Pyjamatasche ein wunderschönes blaues Halstuch, das er in einem alten Tuchwarenladen in England bestellt hatte. Das Geschäft kannte er aus seinen Seefahrerzeiten, die Waren wurden dort noch von Hand gefertigt. Mit einem solch geschmackvollen, rührenden Geschenk hatte Imke offenbar gerechnet, sie drückte Ocke fest und bedankte sich überschwänglich. Währenddessen huschte Christa nach nebenan und kam mit einem mondänen, goldenen Morgenmantel wieder, den Imke gleich überzog, um sich im

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