Oma dreht auf
hinten der Wasserstrahl des Gartenschlauchs, jetzt war er vollständig nass. Der anschließende Kampf um die Hoheit über den Schlauch wurde erbittert und mit allen Mitteln ausgefochten. Ockes Kraft setzte Christa ihre Geschicklichkeit entgegen, keiner von beiden gewann, am Ende war jedenfalls auch Christa pitschnass. Sie fiel Ocke in die Arme und bat, nach Luft japsend, um Gnade: «Ich kann nicht mehr.»
Sie schauten sich lachend an und wischten sich das Wasser aus dem Gesicht.
Der Kerl in Christas Leben wäre Ocke vollkommen egal gewesen – wenn sie nicht seine absolute Traumfrau gewesen wäre!
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5. Imke und die Mondgesichter
Die pralle Nachmittagssonne, die durch das Giebelfenster aufs Bett schien, weckte Imke aus einem tiefen Schlaf. Wo war sie? Verwirrt drehte sie sich zur Seite und erschrak: Vom Nebenbett starrten sie vier bebrillte Mondgesichter an. Ein runder, blasser Vaterkopf um die vierzig, ein runder Mutterkopf und zwei Zwillingsmädchen, die nicht ganz so kugelig waren wie ihre Eltern. Die starken Brillengläser ließen ihre Augen erheblich größer erscheinen – wie bei Fischen vor einer Aquariumsscheibe. Offenbar besaß die ganze Familie die gleiche Sehschwäche. Keiner sagte etwas, die Fische starrten sie nur stumm an.
Imke schaute stumm zurück.
«Dr. Bösinger», stellte sich der kalkblasse, rundliche Mann nach einiger Zeit vor. Er saß in einer kurzen khakifarbenen Hose am Rand des Bettes. Wenn man ihm einen Tropenhelm aufsetzte, würde er einen perfekten britischen Kolonialherrn aus dem vorletzten Jahrhundert abgeben. Er hatte einen Seitenscheitel, die Kopfhaut war von der Sonne verbrannt.
«Bösinger», stellte sich nun die Frau vor. Sie trug ebenfalls kurze Hosen und eine khakifarbene Bluse.
«Wer bist du?», fragte einer der Zwillinge. Beide Mädchen trugen weiße T-Shirts mit einem stilisierten Fisch, wie man ihn manchmal auf den Rückfronten von Autos sah, das Zeichen der radikalen Christen.
«Imke Riewerts», Imke richtete sich auf.
«Angenehm», sagte Herr Bösinger.
«Wir sind die Bösingers», fasste die Frau noch einmal zusammen. Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt, ihre Augen blieben kalt und abweisend. «Und das hier ist unser Ferienhaus.»
Plötzlich wurde Imke klar, wo sie sich befand: im ehemaligen Haus von Johannes! Die Möbel waren zwar neu, aber sie erkannte das Schlafzimmer wieder. Was war geschehen?
Langsam erinnerte sie sich. Sie war den ganzen Vormittag durchs Watt gelaufen. Anschließend musste sie einen Schwächeanfall erlitten haben, denn sie wusste nicht mehr, wie sie in dieses Bett gekommen war. Wie gerne wäre sie weiter verwirrt gewesen, dann müsste sie sich jetzt nicht so sehr schämen …
Aber so? Wie kam sie hier wieder raus?
«Ich finde dich lustig», sagte eines der Mädchen und lachte.
Wenigstens das.
«Unten warten Kaffee und Kuchen auf Sie», sagte Frau Bösinger mit freundlicher Stimme. Doch ihre Augen hatten sich immer noch nicht aufgehellt, sie blieb misstrauisch.
«Ich beziehe erst einmal das Bett neu», schlug Imke vor.
«Das mache ich schon. Gehen Sie doch schon mal ins Badezimmer, ich habe Ihnen ein Handtuch hingelegt.»
Es klang nicht wie ein Angebot, sondern wie ein Befehl.
Imke erhob sich.
«Wo sind meine Schuhe?»
«Sie sind barfuß gekommen», erklärte Herr Bösinger. Ganz vage dämmerte Imke, dass sie ihre Schuhe im Dunsumer Watt zurückgelassen hatte.
«Das Badezimmer ist …», rief Frau Bösinger.
«… hinten rechts, ich weiß», sagte Imke.
Die Bösingers schauten sich erstaunt an.
Erleichtert stellte Imke fest, dass das Bad immer noch das alte war: Die blass-orangen Kacheln waren an einigen Ecken abgeplatzt, die Armaturen hatten Patina angesetzt, die sich vermutlich auch mit Gewalt nicht mehr abschrubben ließ. Sie zog ihr T-Shirt aus und versuchte die klamme Jeans herunterzuziehen. Ärgerlicherweise hatte sie vergessen, die Tür abzuschließen, was Frau Bösinger nachholte, denn sie war inzwischen ins Bad gekommen.
«Ich helfe Ihnen.»
Widerspruch zwecklos.
Frau Bösinger zerrte Imke die Jeans vom Leib, dann machte sie sich an ihrem Slip zu schaffen.
«Das schaffe ich selbst», protestierte Imke.
Vergebens, Frau Bösingers Pflegerinnenhände akzeptierten keine Selbstbestimmung.
Nackt stieg Imke unter die Dusche, während Frau Bösinger die «richtige» Temperatur einstellte, die Imke viel zu kalt war. Das Wasser prasselte auf sie nieder, und plötzlich musste sie daran denken, wie sie
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