Oma dreht auf
Ganzkörperspiegel neben ihrem kleinen Schreibsekretär zu betrachten.
«Wie eine Filmdiva!», strahlte sie.
Christa zwinkerte ihr zu.
«Unschlagbar!»
Imke nahm Ocke bei der Hand, der tanzte einen kurzen Walzer mit ihr. Der zweite große Glücksmoment an diesem Morgen!
«In dem Aufzug kannst du jeden haben», grinste Christa.
«Na, da bin ich ja beruhigt», Imke verdrehte die Augen. «Als Single ist es ja so was von öde!»
Plötzlich gefror Ockes Lächeln. Ohne es zu ahnen, hatte Imke ausgesprochen, was sein Leben seit Jahren bestimmte. Wobei es ihm eigentlich nie etwas ausgemacht hatte, Single zu sein, man gewöhnte sich daran.
Bis jetzt.
Besser, Christa wäre niemals hier eingezogen, dann wäre alles weiter in ruhigen Bahnen verlaufen. Aber wie hätte er ahnen können, dass ihm so etwas in seinem Leben noch mal passierte?
«Wie sieht es aus mit Frühstück?», fragte Imke unternehmungslustig.
«Was soll es denn sein?», fragte Christa zurück.
Offenbar ahnte keine der beiden etwas von seinen dunklen Gedanken, und das war auch gut so.
«English breakfast, please», bestellte Imke.
Christa nickte Ocke zu. «Das ist dein Part.»
Ocke wusste, dass Christa als Vegetarierin von einem englischen Frühstück höchstens das Rührei und die roten Bohnen aß. Aber Imke liebte nun mal Speck und Würstchen. Es war nicht gerade das, was ihr Hausarzt empfahl, aber sonntags brutzelte Ocke es häufig für sie und sich. Und natürlich an einem Donnerstag – wenn es zufällig ihr Geburtstag war.
Fort mit den Sorgen, jetzt kam der nette Teil des Tages! Der Abend hingegen würde grausam für ihn werden. Denn Christas Lover würde es sich bestimmt nicht nehmen lassen, zur Fete zu kommen.
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8. Rum-Aroma
Das englische Frühstück wurde mit allem Pipapo unter blauem Himmel und bei Sonnenschein zelebriert, anschließend machten sich die drei WG -Bewohner an die Arbeit. Bis zum Abend gab es schließlich noch eine Menge zu tun. Es wurden Tische aufgebaut, Gläser bereitgestellt und alle Räume noch einmal ausgefegt. Überwiegend wirbelten natürlich Christa und Ocke herum, aber auch Imke tat, was sie konnte. Zum Glück wurde das Buffet geliefert, sodass sie sich darum nicht auch noch kümmern mussten.
Am frühen Nachmittag waren sie fertig. Für Ocke war das der Moment, an dem der Countdown zu seinem Unglück begann. Seine Angst vor der Feier verwandelte sich in Panik. Alles, was an diesem Morgen so schön mit Christa gewesen war, würde heute Abend dahin sein. Vor seinem inneren Auge sah er sie mit ihrem Lover eng zusammen tanzen. Ein öliger Gigolo mit Sonnenbankbräune, den Christa mit Zunge küsste! Der Ölige flüsterte ihr etwas ins Ohr, worüber sie strahlend lachte – so, wie sie heute ihn, Ocke, angestrahlt hatte.
Wie sollte er das aushalten?
Einfach weggucken? Sich betrinken?
Ocke fühlte sich wie ein Tier in einem viel zu engen Käfig. Er ging unter die Dusche, zog sich eine graue Hose und ein schwarzes Hemd sowie schwarze Schuhe an. Als Christa und Imke ihr persönliches Aufhübsch-Programm für den Abend starteten, verabschiedete er sich hastig.
«Du willst noch weg, Ocke?», staunte Christa. Sie sah leicht abgekämpft und verschwitzt vom Aufräumen aus – und noch schöner als sonst. Als wollte ihm das Schicksal noch einmal mit aller Kraft vor Augen führen, was er nicht haben konnte.
«Leider, ich habe noch einen wichtigen Kunden», behauptete er und verließ dann das Haus.
Natürlich war das gelogen. Sein Weg führte ihn direkt zum Wyker Hafen, wo er sich ein Ticket kaufte und sich dann auf dem Vorplatz zur Fähre in Spur vier einreihte. Neben ihm warteten Urlauber mit voll gepackten Familienkombis und Vans auf die Abfahrt. Sie waren voller Wehmut, weil sie ihre Urlaubsinsel wieder verlassen mussten. Zumal am blauen Himmel immer noch keine Wolke zu sehen war und der heftige Wind ganz Föhr zum Tanzen brachte.
Ocke war das egal.
In einer Dreiviertelstunde befand er sich auf dem Festland, wo er sicher vor Christas Lover war. Allein der Gedanke daran war eine Erleichterung. Es gab keinen Plan, nur eine Richtung: so weit weg von der Feier wie möglich!
Hinnerk, der Braungebrannte von der Reederei mit der weißen Mütze, winkte Ocke als Ersten an Bord, Einheimische wurden immer vorgelassen. Als Ocke den Zündschlüssel umdrehte, schoss sein Blutdruck in die Höhe. Jetzt wurde der Gedanke zur Tat: Die Party würde ohne ihn stattfinden.
Konnte er das wirklich bringen?
Wie
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