Oma dreht auf
guten Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Es war auch besser so, denn sonst hätte er sie bestimmt gleich wieder weggeschickt. Der wollte hier Ferien machen und nicht arbeiten!
Imke setzte sich gar nicht erst hin, sondern kam gleich zur Sache: «Nicole Feddersen hat mir gesagt, Sie sind Psychologe, und ich habe ein Problem.»
Ocke wurde schlecht.
Kohfahl lächelte immer noch.
«Oh, das ist ein Irrtum. Ich arbeite in der Personalabteilung eines Energiekonzerns.»
«Aber Sie haben Psychologie studiert, oder nicht?», fragte Imke.
«Schon, aber das ist ein weites Feld. Was
Sie
suchen, ist ein Therapeut.»
Ocke hatte gleich gewusst, dass dies hier eine Panne-Aktion war. Ihm konnte sowieso keiner von diesen kackschlauen Seelenklempnern helfen.
«Um mich geht es gar nicht», sagte Imke. «Es geht um meinen Freund hier, Ocke Hansen. Der braucht Hilfe.»
Kohfahl schaute Ocke an. «So?»
Am liebsten wäre Ocke im Boden versunken. Die ganze Situation war vollkommen absurd. Eine alte Frau, die Kohfahl nicht kannte, bat ihn, einen alten Mann, den er auch nicht kannte, zu therapieren, obwohl er gar kein Therapeut war. Und das im Urlaub, in seiner eigenen Villa!
«Äh.»
«Ich wohne in einer WG , und er ist mein Mitbewohner», ergänzte Imke.
Kohfahl blinzelte Imke amüsiert an: «Sie wohnen in einer WG ?»
«Das ist cool, oder?»
Kohfahl lachte.
Sie waren vollkommen falsch hier! Ocke brauchte keinen Top-Manager, der es bis nach ganz oben geschafft hatte, für solche Menschen war er der geborene Verlierer.
«Mein Studienschwerpunkt lag, wie gesagt, im Personalmanagement.»
«Psychologe bleibt Psychologe. Sie haben mit Sicherheit ein paar mehr Tricks drauf als der Schnitt der Bevölkerung.»
«Was ist mit Freunden?», fragte Kohfahl Ocke.
Er hatte recht, es war erbärmlich.
«Freunde sind schön und gut», sagte Imke, bevor Ocke sich erklären konnte. «Aber er braucht einen
neutralen
Ratgeber.»
«Was erwarten Sie von mir?», erkundigte sich Kohfahl.
«Lass uns wieder gehen», bat Ocke und wandte sich an Kohfahl. «Tut mir leid, dass wir Sie gestört haben.»
Kohfahl schaute ihn an und legte seine Stirn in Falten. «Es ist schon etwas verrückt, dass Sie zu mir kommen. Im Büro würde mir so etwas nie passieren. Da ist der ganze Tag verplant, und meine Assistentin hält mir alles Unvorhergesehene vom Leib, was gar nicht anders geht bei meinem Terminplan. Aber auf der anderen Seite ist es auch stinklangweilig.»
Sie schwiegen eine Weile
«Also gut, ich kann es probieren», sagte Kohfahl. «Aber ohne Garantie.»
«Jetzt oder nie, Ocke Hansen!», rief Imke und huschte grußlos hinaus.
Ocke stand mitten auf der fremden Terrasse und wusste nicht wohin mit sich. Das schlimmste Orkantief seines Lebens raste auf ihn zu, und er saß allein in einer Nussschale ohne Ruder. Ihm war so unwohl, dass es ihn am ganzen Körper schüttelte.
«Muss ich mich hinlegen?», erkundigte er sich zaghaft.
«Hinlegen?»
«Na, auf eine Couch.»
Kohfahl lachte. «Wo denken Sie hin? Nein, kommen Sie …»
Er führte Ocke an einen kleinen Holztresen in einer lauschigen Ecke des Gartens, die von Büschen und Sträuchern umgeben war. Die Sonne stand als roter Feuerball über dem Meer.
«Bier», fragte Kohfahl, «oder was Härteres?»
«Ist das denn erlaubt beim Therapieren?»
«Bei mir ja.»
«Bier klingt sympathisch.»
Kohfahl fischte aus der Bar zwei Flaschen heraus, beide tranken ohne Glas, was Ocke sehr entgegenkam. Er stellte sich vor, dass Kohfahl kein Psychologe war, sondern ein Barmann, und schon fühlte sich alles deutlich entspannter an.
«Dann mal raus damit», forderte Kohfahl ihn auf.
Ocke holte tief Luft und atmete aus. Aber es war noch viel schwerer, als er gedacht hatte. Die Worte blieben ihm einfach im Hals stecken. So etwas hatte er noch nie erlebt. Das Ganze also noch einmal: Tief einatmen, ausatmen …
«Genau genommen habe ich mich verliebt», kam es dann mit heiserer Stimme. Er räusperte sich und ergänzte: «Bloß sie hat einen anderen.»
Kohfahl sah ihn erstaunt an. Probleme mit der Liebe waren wohl nicht gerade das, was er von einem Mann in Ockes Alter erwartet hätte.
«Sind Sie sicher, dass sie sich nicht für Sie interessiert?»
«Mmh, ja.»
«Und woran machen Sie das fest?»
«Sie macht keine Annäherungsversuche.»
Kohfahl nahm einen Schluck aus der Flasche.
«Und Sie? Haben Sie ihr Ihre Gefühle mal gezeigt oder sich geäußert?»
Ocke wurde fast sauer. «Soll ich einfach
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