Oma dreht auf
Flasche.»
Ocke nahm eine Hand vom Lenkrad und fuchtelte damit in der Luft herum.
«Selbst wenn, wo soll ich denn so einen Seelenklempner herzaubern, bitte sehr?»
«Es gibt sogar auf Föhr welche.»
«Na, super! Dann sehen mich alle in sein Haus huschen, oder seine Putzfrau ist gerade da, die mich vom Taxi kennt, und schon ist das rum.»
«Das stimmt», sagte Imke. «Besser, du suchst dir einen auf dem Festland.»
Ocke stöhnte auf. «Da kenne ich auch keinen. Und jedes Mal mit der Fähre nach sonst wohin tuckern, ist mir zu teuer. So hoch ist meine Rente auch wieder nicht. Was meinst du, warum ich Taxi fahre?»
«Perfekt wäre ein Psychologe, der dir auf Föhr hilft und dann aufs Festland verschwindet.»
«Vergiss es, wo sollte der herkommen?»
Imke lächelte. «Der Optikerladen in Wyk, in dem Regina arbeitet, wird von Nicole Feddersen aus Oldsum geputzt, die auch Ferienhäuser sauber macht», murmelte sie. «Die hat mal von einem Psychologen aus Essen erzählt, der ein Haus in Goting besitzt. Ich habe den Mann sogar kurz kennengelernt, auf einer Parkbank in Nieblum. Ein smarter Typ, Ende dreißig, hohe Stirn, gute Manieren. Angeblich kommt er jedes zweite Wochenende mit dem eigenen Flugzeug von Essen nach Föhr, er muss also sehr erfolgreich sein.»
«Was erzählst du denn da für ein Zeug?»
«Jetzt fällt mir sein Name wieder ein, Dr. Kohfahl. Das ist dein Mann!»
«Weil du mit ihm auf einer Parkbank gesessen hast?» Das war wieder eine von Imkes Schnapsideen.
«Bieg ab», rief Imke, «wir müssen nach Witsum.»
Ocke zögerte. Einerseits glaubte er nicht an diesen ganzen Psycho-Quatsch, andererseits hatte er tatsächlich nichts zu verlieren, da hatte Imke recht. Also nahm er den Weg nach Witsum über die sogenannte Traumstraße. Konnte es einen schöneren Weg zu einem Seelenklempner geben?
Als Ocke in den schmalen Ual Hiaswai abbog, wurde ihm mulmig zumute. Imke hatte auf der Fahrt ein Nickerchen gemacht und öffnete jetzt die Augen.
«An der nächsten Kreuzung musst du rechts ab», sagte sie.
Es war eine Sackgasse mit dem Hinweis «Keine Wendemöglichkeit». Das Haus von Kohfahl war das letzte in der Straße. Ocke fuhr erst einmal ein paar Meter daran vorbei und stellte den Wagen dann auf einer Wiese ab.
«Ich überleg’s mir noch mal.»
«Das ist deine letzte Chance», sagte Imke und stieg aus.
Das riesige Reetdachhaus war an sich schon ein Traum, aber es stand auch noch auf einem der seltenen Hügel auf der Insel. Von der leichten Anhöhe aus schaute man über die Godelniederung und das Wattenmeer auf die Insel Amrum mit dem Leuchtturm in Nebel. Schöner ging es nicht. Dort unten am Wasser hatte Ocke am Donnerstag gestanden, als er vor der Fete geflohen war. Noch während er überlegte, an welchem der beiden Tage er sich schlechter gefühlt hatte, heute oder am Donnerstag, klingelte Imke an der Haustür. Ocke kam sich vor wie ein Volltrottel. Auf einen Samstagabend störte man niemanden, der nur übers Wochenende auf Föhr war, und schon gar nicht mit so einem Kinderkram!
Ein leicht verschlafener Mann öffnete die Tür. Er war barfuß, trug Shorts und ein albernes T-Shirt mit einer Diddl-Maus. Trotzdem sah er aus wie aus einem Reklame-Katalog, energisches Kinn, volle Haare, selbstbewusster Blick, höchstens Ende dreißig.
Neben seinem guten Aussehen verdient er auch noch viel Geld, dachte Ocke. Manchen schenkte es der Herrgott wirklich im Schlaf …
«Moin, ich bin Imke Riewerts, ich kenne Ihre Putzfrau Nicole Feddersen um ein paar Ecken. Und wir haben uns schon mal auf einer Bank in Nieblum getroffen. Das ist Ocke Hansen.»
«Moin», grummelte Ocke und blickte zu Boden.
Kohfahl brauchte eine Sekunde, dann erinnerte er sich.
«Richtig», sagte er und lächelte. «Sie haben mir damals geraten, meine Jugend zu verschwenden und bloß nicht zu vernünftig zu werden.»
Imke legte ihren unwiderstehlichen Augenaufschlag auf. «Das soll ich gesagt haben?»
Statt einer Antwort bat Kohfahl sie herein. Er führte sie durch einen langen Flur und ein riesiges Wohnzimmer mit Kamin auf eine windgeschützte Terrasse, wo ein Strandkorb stand. Zahlreiche Bücher und Zeitschriften lagen auf einem großen Holztisch und überall auf dem Boden herum.
«Entschuldigen Sie bitte die Unordnung», sagte Kohfahl, «aber ich lasse mich gerade so richtig gehen.» Er packte ein paar Zeitungen vom Strandkorb auf den Tisch. Erstaunlicherweise hatte er nicht einmal gefragt, worum es ging. Imke musste einen
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