Oma dreht auf
lässig ab. «Das ist doch nur blanke Statistik. Was sagt das über dich aus, Christa? Du hast fast immer jüngere Männer gehabt.»
«Aber nie ein volles Jahrzehnt jünger.»
«Wenn sich beide Seiten wohl fühlen, ist es doch super!»
«Tja, aber so ein Glück kann schnell zu Ende gehen. Was ist zum Beispiel, wenn ich nicht merke, wann mein Haltbarkeitsdatum endgültig abgelaufen ist?»
«So kenne ich dich gar nicht, Christa. Wo ist dein Selbstbewusstsein geblieben?»
«Ich meine, Stefan hat mich zwar spüren lassen, dass dieser Zeitpunkt jetzt noch nicht gekommen ist. Er findet mich attraktiv. Aber der Sex nach dem Tennis war ein mittleres Desaster, was vor allem daran lag, dass Stefan nur in einer ganz bestimmten Position schmerzfrei an der Schulter war. Bloß dass diese Position mir nun gar nicht gefiel … Aber es ging noch, das war für mich die gute Botschaft.»
«Wo liegt dann das Problem?»
«Das Problem ist, dass Stefan verheiratet ist, obwohl er gesagt hat, er lebt seit Jahren getrennt von seiner Frau. Die hat nämlich, als wir zusammen auf dem Sofa lagen, auf seinem Handy angerufen und wollte von der Fähre abgeholt werden. Und was macht der Kerl? Schießt sofort vom Sofa hoch und hat seine Schulterschmerzen offenbar völlig vergessen.»
Typisch, dachte Imke.
«Er hat mich dann mehr oder weniger rausgeschmissen. Und auch wenn ich es besser weiß, denke ich, dass ich ihm vielleicht doch zu alt war.»
«Christa, jetzt hör aber mal auf, dir so einen Unsinn einzureden! Es liegt nicht an dir, dass dieser Mann ein Armleuchter ist.»
«Ich weiß, und trotzdem wünsche ich mir, ich würde noch mal eine zweite Chance bekommen. Vielleicht fühlte ich mich einfach nur geschmeichelt, dass ein jüngerer Mann etwas von mir wollte. Aber nun bin ich tief in meiner Eitelkeit gekränkt. Und das ist momentan mein Problem.»
«Ich hoffe, du hast trotzdem mit ihm Schluss gemacht.»
«Na ja, es kommt noch besser», kicherte Christa.
«Was ist denn jetzt so lustig?»
«Eigentlich ist es so traurig, dass man schon wieder drüber lachen muss. Wir haben uns noch einmal heimlich getroffen. Seine Frau hatte eine Essenseinladung, und wir haben einen Spaziergang in die Marsch gemacht, obwohl sich Stefan dort eigentlich total unwohl fühlt, er hält sich fast ausschließlich in der Geest auf.»
Tatsächlich war die Geest der liebliche Teil auf Föhr, hier standen die meisten Häuser, es gab kleine Waldstücke, sogar Andeutungen von Hügeln. In der Marsch hingegen gab es auf den ersten Blick nichts außer einer flachen grünen Fläche. Erst wenn man sich dem länger aussetzte, erkannte man, was darin, scheinbar unsichtbar, verborgen lag.
«Stefan hat kein Problem, sich in der Sauna nackt zu zeigen, aber in der Marsch steht er schutzlos vor dem riesigen Himmel. Dass es etwas gibt, das über den großen Stefan hinausgeht, erschreckt ihn wohl mächtig.»
Sie stand auf, um die Kaffeekanne aus der Küche zu holen. Imke nutzte die Zeit, um über das, was Christa ihr gerade erzählt hatte, nachzudenken.
«Du auch Kaffee?», fragte Christa, als sie wieder auf der Terrasse war.
«Danke, ich trinke später eine Tasse.»
Christa schenkte sich ein und fuhr dann fort.
«Natürlich habe ich mich gefragt, ob ich ihn überhaupt noch mal treffen sollte. Unser Beisammensein schrie ja nicht gerade nach Wiederholung. Aber irgendwie war da noch was offen zwischen uns, du kennst das Gefühl.»
Imke nickte – und dachte dankbar an Johannes, mit dem es solche Spielchen nie gegeben hatte.
«Er lief reichlich
underdressed
auf, in kurzer Hose und einem ausgewaschenen weißen Billig-T-Shirt. Es war ihm offenbar total egal, wie er auf mich wirkte. Das fand ich enttäuschend, andererseits machte es auch schon keinen Unterschied mehr. Wir unterhielten uns über deine Fete und übers Trinken, darüber, dass heutzutage ganz anders gefeiert wird als früher. Dann fing ich vom Föhrer Rummelpottlaufen im Januar an, dass man da ja auch ganz schön rumkommt …»
«Und sogar in die Häuser rein, wenn man seinen Spruch aufgesagt hat.»
Imke und Christa sangen spontan das Lied, das man beim Rummelpottlaufen auf Föhr anstimmte, wenn man eine Menge Schnaps ausgeschenkt bekommen wollte:
Rummel, rummel, ruttje,
Kriech ik noch en Futtje?
Kriech ik een, blev ik stohn,
Kriech ik twee, so will ik gohn.
Kriech ik dree, so wünsch ik
Glück, dat de Osche mit de
Posche dür de Schosteen flüch.
Dat ole Johr, dat nie Johr,
sind de Futtjes noch
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