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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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aus wie die Karikatur eines Seehundes. Der leichte Höcker auf dem Rücken hätte besser zu einem Kamel gepasst, außerdem waren sie in demselben Lila gehalten wie die Milka-Kühe.
    «Die stammen aus der Fehlproduktion einer Fabrik, deswegen haben wir sie umsonst bekommen», erklärte Brockstedt, «so springt am meisten Geld für die Seehundstation raus. In jedem Korb sind zweihundert Tiere, die sollen für drei Euro das Stück verkauft werden. Und zwar alle!», er sah Arne streng an.
    Arne verabschiedete sich missmutig und rief laut: «Krumme Seehunde für den guten Zweck, krumme Seehunde …»
    «Das ist die gesamte Strafe?», fragte Imke, als er außer Hörweite war.
    «Nicht ganz. Nachher gibt es in der Kurmuschel noch ein kleines Musical von Jugendlichen aus einem Hamburger Kinder-Erholungsheim, bei dem Arne und die Bösingers eine entscheidende Rolle spielen werden. Wirst schon sehen.»
    «Sadist», flüsterte sie. Sie hätte ihn küssen können!
    Brockstedt öffnete den ersten Knopf seines Hemdes. «Wenn einer meiner Beamten verletzt wird, verstehe ich keinen Spaß.» Sagte es, drehte sich mit geschlossenen Augen Richtung Sonne und fügte hinzu: «Überleg mal, was ein Verfahren den Staat gekostet hätte! Drei Angeklagte, Verteidiger, Staatsanwalt, Protokoll, Verwaltung, etc. pp., das können wir uns wirklich sparen.»
    «Hast ja recht.»
    «Arne hilft Peter Markhoff zusätzlich an vier Wochenenden beim Pferdestallbauen. Als Schmerzensgeld. Er hat sich übrigens schon längst persönlich bei ihm entschuldigt. Weißt du Imke, das sind ja keine Schwerverbrecher. Im Grunde sind sie nur Opfer deiner wahnsinnigen Bowle geworden.»
    Imke sah an Brockstedt vorbei zu Bösinger, der sich weiter von Strandkorb zu Strandkorb quälte. «Die Bowle war vollkommen legal.»
    «Sagst
du
! In dieser Stärke fällt sie eindeutig unter das Betäubungsmittelgesetz.»
    «Wie willst du das beweisen? Sie ist längst alle.»
    «Und noch was, Imke.» Brockstedt räusperte sich. «Also, ich war nach der Party etwas sauer auf Ocke und Christa. Aber die haben nichts mit der Sache zu tun, dass du das nur weißt.»
    «Da bin ich erleichtert.»
    «Trotzdem muss Christa in Zukunft besser auf dich aufpassen.»
    «Ja ja.»
    «Jetzt vielleicht doch einen Prosecco?»
    Imke nickte und erhob ihr Glas: «Auf das friesische Recht!»
     
    Die weißen Holzbänke vor der Kurmuschel waren voll besetzt. Das war die letzte Hürde, die Arne und die Bösingers heute nehmen mussten. Der stundenlange Seehundverkauf am Strand saß ihnen offenkundig noch in den Knochen, aber Brockstedt ließ keine Gnade walten.
    Ein Erzieher mit langen Rastalocken trat ans Mikrophon: «Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen nun ein Musical ankündigen, das das Hamburger Kinder-Erholungsheim selber erarbeitet hat:
Muck, der Seehund

    Freundlicher Applaus.
    Ein albernes Windrad (Arne), ein noch albernerer Leuchtturm mit einer Bauchbeule (Herr Bösinger) und ein schiefer, dicker Apfelbaum (Frau Bösinger) schoben sich als Dekoration auf die Bühne, was großes Gelächter und Gejohle hervorrief. Imke saß in der ersten Reihe direkt neben Brockstedt und freute sich mit. Sie war hin- und hergerissen, als sie ihren sonst so eitlen Sohn als unglückliches Windrad auf der Bühne sah. Er tat ihr ein bisschen leid, aber das hier war besser als Gefängnis!
    Die Eingangsmusik kam vom Band, und die Handlung begann. Seehund Muck verlor seine Mutter, irrte durch die Welt, erlebte eine Menge Abenteuer und wurde von der Seehundstation gerettet. Windrad, Leuchtturm und Apfelbaum auf der Hallig mussten nichts anderes tun, als einfach da zu stehen. Zum Schluss gab es einen Rap mit der Moral von der Geschicht: Wer einen Seehund rettet, rettet damit die ganze Welt. Als das Windrad mit dem Apfelbaum plötzlich Walzer zu dem Rap tanzte, was gar nicht zur Musik passte, und als sich daraufhin der dicke Leuchtturm schwerfällig wie ein Elefant in Bewegung setzte, tobte das Publikum. Die rappenden Jugendlichen auf der Bühne vergaßen vor Lachen vollständig ihren Text.
    Imke blickte auf die wunderbar lebhaften Kinder in der Kurmuschel. Sie stellte sich vor, wie sie ein Urenkelkind mit schwarzen Locken im Arm hielt und mit ihm herumschäkerte. Sämtliche Kitschbilder, die es jemals zu diesem Thema gegeben hatte, tauchten vor ihrem inneren Auge auf, und es fühlte sich prächtig an. Jetzt drehte sie sich zum Publikum um und entdeckte hinter den voll besetzten weißen Bänken Sönke mit Regina.

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