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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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frisch aus dem Rauch oder als roten Heringssalat – nach altem Riewerts’schen Hausrezept, das auch meine Mutter zu hohen Festtagen rauskramt.
    Ich wuchte einen der massiven Stühle in die Morgensonne und erblicke im Prielstrom des ablaufenden Wassers einen einsamen Surfer auf seinem Brett. Das Oberteil seines dunkelroten Neoprenanzugs hängt lässig herunter. Er gleitet mit dem kaum spürbaren Wind beständig und elegant über die spiegelglatte See. Hinter ihm erstreckt sich die Hallig Langeneß über mehrere Kilometer, die Häuser dort stehen wie an einer Schnur aufgereiht auf Warften, die im Winter bei Sturmflut vom Meer umspült werden. Plötzlich winkt der Surfer mir zu. Kennen wir uns? – Aber ja, das ist mein Onkel Arne, der Vater von Maria! Er legt eine lässige Wende hin und hält geradewegs auf den Strand zu.
    «Mann, Sönke! Wo kommst du denn her?», juchzt er schon von weitem.
    «Moin, Arne!»
    Er springt von seinem Surfbrett, rennt auf mich zu und schließt mich sofort in seine Arme. Dabei werde ich pitschnass,aber das ist egal. In den Kellern sämtlicher Riewerts, außer bei Cord vielleicht, liegt eine Ausgabe des Surfmagazins aus den Achtzigern, auf der Arne das Titelbild ist, braun gebrannt, gut aussehend und muskulös. Wer sonst hat schon einen solchen Onkel in der Familie? Wir schauen uns an. Arne ist braun wie immer, seine übriggebliebenen blondgefärbten Haare hat er zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mir fällt auf, dass die Tattoos auf seinen Armen von vielen Jahren Salzwasser und Sonne unscharf geworden sind. Hatte er bei Opas Beerdigung auch schon so viele Falten? Seine braunen Augen hingegen wirken immer noch jung: Die Iris ist eben der einzige Teil des Gesichts, auf dem sich keine Krähenfüße bilden.
    «Alt bist du geworden, Sönke», grinst er mich an und haut mir mit seiner nassen Hand auf die Schulter.
    «Ich? Wo das denn?», frotzle ich zurück, «hat deine Sehstärke schon so stark nachgelassen?»
    Er lacht herzlich. Es ist schön, nach so langer Zeit genauso blöd rumquatschen zu können wie früher. Mein Onkel war vor vielen Jahren der erste Surfer auf der Insel und arbeitet mit sechsundfünfzig immer noch als Surflehrer. Er ist der Zweitälteste der vier Geschwister, nach meiner Mutter. Seit Jahrzehnten schlägt er sich nun schon am Strand durchs Leben und hat mich gelehrt, dass das auch eine Qualität sein kann. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nie mein langweiliges BW L-Studium abgebrochen und den Nebenjob in der Eventagentur zu meinem Beruf gemacht. Und ich bin im Moment viel zu gut drauf, um mich schon wieder zu fragen, ob das eine sinnvolle Entscheidung war.
    «Wo hast du denn meine Schwester gelassen?»
    «Mama kann leider nicht, aber sie lässt dich herzlich grüßen.»
    «Mensch, klasse, dass du gekommen bist! Du meldest dich ja so selten.»
    «Genauso häufig wie du», erinnere ich ihn.
    Er lacht erneut und schlägt alle fünfe in meine Hand: «Wie geht es dir?»
    «Furchtbar – ich bin seit einem Jahr Single und habe gerade meinen Job verloren», sage ich
nicht
! Das hier ist ein Fest und keine Gruppentherapie: «Man schlägt sich durch, du kennst das ja.»
    «Anpacken ist nichts für Städter, was?», nölt eine Frauenstimme von hinten. Sie meint es nicht so, das weiß ich. Meine dicke Tante Regina schleppt schwer schnaufend einen riesigen Korb Blumen über den Sand. Ihre Füße sinken bei jedem Schritt tief ein, sie schwitzt beträchtlich.
    «Moin, Regina.»
    «Moin, Sönke.»
    Küsschen links, Küsschen rechts. Meine Tante Regina ist die Jüngste der vier Riewerts-Geschwister, gleichzeitig nur drei Jahre älter als ich und damit der Nachkömmling in der Familie. Sie ist meinem Opa wie aus dem Gesicht geschnitten, hat die gleiche Nase und die gleichen kleinen Augen. Nur dass Opa dünn war und sie von Anfang an rund – Regina gehört einfach so. Ob sie deswegen ein enges rosa T-Shirt tragen sollte, weiß ich allerdings nicht. Auch den neuen Fassonschnitt mit den rotgefärbten Haaren und den lila Strähnchen sollte sie überprüfen. Aber das ist Geschmackssache und im Moment vollkommen unwichtig. Regina wendet sich dem vielversprechenden Fischbuffet zu: Lachs, Hummer, Salate, alles da. Behutsam wie eine Bombenentschärferin korrigiert sie auf dem Tisch hier und da ungenaue Abstände zwischen Gabel und Messer, Teller und Gläsern, was außer ihr keinererkennt. Dabei zuckt ihre rechte Oberlippe vor Anstrengung.
    «Mensch Sönke, zum Fünfundsiebzigsten von Oma keine

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