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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Spur von dir», lästert sie freundlich, «aber ein Jahr später stehst du plötzlich da.»
    «Moment», stelle ich richtig, «zum Fünfundsiebzigsten war ich mit Oma in Amsterdam. Nur zur Nachfeier auf Föhr hatte ich keine Zeit.»
    «Ist ja auch egal», freut sie sich, «wenigstens sehe ich so meinen Neffen mal wieder.»
    Dass wir Neffe und Tante sind, betonen wir seit unserer Kindheit, so häufig es geht. Es ist eben etwas Besonderes, wenn man fast gleich alt ist. Ansonsten hatten wir nie viel miteinander zu tun. Es gibt einfach zu wenige Überschneidungen in unser beider Leben.
    «Wo wohnst du denn?», erkundigt sich Arne.
    «In Omas altem Haus», sage ich, obwohl es rein rechtlich ja allen gehört, wie ich seit gestern weiß, «zusammen mit Cord, der kommt nach.»
    Arne und Regina werfen sich einen stummen Blick zu, den ich nicht deuten kann. Hat sich Cord etwa noch nicht bei ihnen gemeldet? Regina starrt auf ihre winzige goldene Armbanduhr, die in ihrem fleischigen Unterarm zu versinken scheint.
    «Ich verstehe nicht, wo Mama bleibt», sorgt sie sich, «sie wollte schon um acht hier sein.»
    «Es ist ja noch früh», gebe ich zu bedenken. «Sie kommt bestimmt gleich.»
    Statt Oma wieselt auf der Promenade hinter dem Strand Cord heran. Mit grauem Anzug, weißem Hemd – oberster Knopf geschlossen – und schwarzen Halbschuhen. Gut gewählt, Cord, dein Outfit passt zum spätsommerlichenStrand so perfekt wie ein Schneeanzug in die Sahara. Arne und Regina starren ihn an wie einen Außerirdischen. Auch sie dürften ihn über zehn Jahre nicht gesehen haben, seit wir damals alle zu Besuch bei Cord in Frankfurt waren.
    «Moin», murmelt Cord.
    «Moin», kommt es als Echo zurück.
    Nordfriesland ist keine Gegend, in der die Anzahl der Wörter etwas über die Tiefe der Gefühle sagt. Woanders käme vielleicht ein Wortschwall wie: «Mensch Cord, zehn Jahre, Alter, lass dich anschauen, gut hast du dich gehalten! Wie lange ist das jetzt her? Das gibt es gar nicht, der Cord ist hier!» Auf Föhr wird all das in einem Wort zusammengefasst:
Moin
. Was nicht weniger herzlich gemeint ist. Allerdings muss man sehr genau hinhören, es gibt nämlich an die fünfzig Arten, «Moin» zu sagen: laut, leise, mit ansteigender oder absteigender Stimme, kurz, gedehnt, gepresst, feierlich, beiläufig, feindselig, bedrohlich, um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen.
    Arne und Cord umarmen sich und geben sich einen Klaps auf die Schulter, dann ist Regina dran, die ihren Bruder kurz in den Arm nimmt und ihn dann lächelnd auf Friesisch fragt: «Na, Cord, hü gungt et?»
    Na, Cord, wie geht es?
    Cord schüttelt heftig den Kopf, was ein bisschen irre wirkt, weil er dabei nichts sagt. Hat er schon wieder einen Anfall? Doch dann hält er den Kopf wieder still und erklärt düster: «Ich spreche kein Friesisch mehr.»
    Arne deutet das als Kriegsansage: «Bliiw rauelk, wi san dach leewen noch en Familie.»
    Nun mal ruhig, wir sind immer noch eine Familie.
    Cord hat wirklich eine Vollmacke. Seine ganze Kindheit lang hat er mit seinen Geschwistern Friesisch gesprochen.Statt Deutsch könnte er jetzt auch Englisch reden, das wäre genauso bekloppt.
    «Meinetwegen müsst ihr nicht Deutsch reden», mische ich mich ein, «ich komme ins Friesische rein, nur mit dem Sprechen wird es schwierig.»
    Immerhin ist Friesisch nicht bloß ein Dialekt, sondern eine eigene Sprache.
    Cord schüttelt den Kopf: «Ist nicht wegen dir, Sönke.»
    Regina gibt sich einen Ruck. «Wo Oma bloß bleibt?», fragt sie demonstrativ auf Hochdeutsch. «Ich habe schon drei Mal bei ihr angerufen. Zu Hause nimmt keiner ab, und auf ihrem Handy geht nur die Mailbox an.» Es klingt so künstlich wie in einem schlechten Laientheater. Hochdeutsch redet man in der Familie Riewerts nur mit Touristen und auf dem Amt.
    «Die pennt halt aus», vermutet Arne, ebenfalls auf Deutsch.
    Und wo bleibt eigentlich Maria? Die hat doch hoffentlich keinen Dienst! Ich würde sie zu gerne in normaler Kleidung sehen. Ob sie immer noch ihre schlechte Laune vor sich herträgt, wie damals, aber in Wirklichkeit von mir zum Lachen gebracht werden will?
    «Das Wetter passt», setzt Regina ihren Dialogversuch fort, «wir können ja schon mal anfangen.»
    Sie deutet auf das Fischbuffet.
    Arne verzieht das Gesicht: «Tut mir leid, ich kann davon nichts essen. Ich bin Veganer.»
    Fast muss ich laut loslachen. Was Arne schon alles in seinem Leben war! Buddhist und Raucher, katholisch und Nichtraucher, Atheist, fünf

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