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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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seine Botschaft selbst zu bestimmen und nicht fortwährend mit Anweisungen belästigt zu werden. Seine unersetzliche Sekretärin, Jacqueline Marsh, war immer noch im Urlaub, und so mußte er seine vertraulichen Telegramme einer verängstigten Stenotypistin diktieren, deren Orthographie erschreckend war und deren Versuche, ihm den ständig anwachsenden Besucherstrom fernzuhalten, von vornherein scheiterten.
    Aber Sir Reginald behielt seinen Sinn für die richtigen Proportionen, und seine Telegramme an das Auswärtige Amt waren Meisterstücke der Vernunft. Die Öffentlichkeit in England jedoch war vom Baker-Fieber befallen, und Sir Reginalds fast lakonische Darstellungen der Lage fanden nicht das rechte Echo.
    Wer der Meinung gewesen war, die Baker-Affäre werde im Sande verlaufen, sah sich getäuscht. Die Schlagzeilen und Telegramme wurden von Tag zu Tag hysterischer, und ohne auch nur im geringsten an Rasanz zu verlieren, trat der Fall Baker in seine zweite Woche als Thema von nationalem Interesse ein.

13

    Am Montag, dem zehnten Juni, traf Jackie Marsh um zwölf Uhr mittags sonnenverbrannt und von ihrer Reise begeistert wieder in Moskau ein. Da ihre Flugzeugverbindung in Stalingrad nicht geklappt hatte, kam sie einen halben Tag zu spät, und so hielt sie sich, in Gedanken an Sir Reginalds Zorn, nicht erst mit Kofferauspacken auf.
    Sie fuhr nur rasch in ihrer Wohnung vorbei, um sich nach der zweitägigen Reise umzuziehen, schnell in die Badewanne zu steigen und um sich davon zu überzeugen, daß Miss Baker wieder gesund war.
    «Aber Sie müssen eine Kleinigkeit essen», sagte Miss Baker besorgt. «Hätten Sie mich doch bloß wissen lassen, wann Sie kommen. Wenigstens Eier habe ich genug. Soll ich Ihnen schnell eines kochen?»
    «Ich habe wirklich keine Zeit und bin auch gar nicht hungrig», protestierte Jackie. «Und wenn ich mich erst mal hinsetze, dann fange ich an, Ihnen alles über Samarkand zu erzählen, und dann sitzen wir heut nachmittag noch da.»
    Während des Sprechens legte sie neues Make-up auf, aber als sie in der Schublade nach ihrem Lippenstift suchte, hielt sie verblüfft inne.
    «Was für eine tolle Ordnung überall herrscht! Sie waren wirklich fleißig, Miss Baker. Hatten Sie alles, was Sie brauchten? War irgendwas Interessantes los, während ich weg war?»
    «Nein, gar nichts», sagte Miss Baker mit der Seelenruhe der Ahnungslosen. «Ich habe mich herrlich ausgeruht und war richtig faul. Aber jetzt, wo Sie zurück sind, muß ich wieder etwas unternehmen. Ich werde heute nachmittag zum Metropol fahren, ein Zimmer bestellen und sehen, ob ich Post habe.»
    «Oh, das hat keine Eile», sagte Jackie gastfreundlich. «Sie können ruhig ein paar Tage länger bleiben. Ich kann auf der Couch im Wohnzimmer schlafen. Aber darüber können wir uns noch unterhalten, wenn ich heute abend von der Botschaft zurückkomme. Sie sehen wirklich viel besser aus. Ich bin richtig froh, daß ich Sie überredet habe, bei mir zu wohnen.»
    Sorglos winkend rannte Jackie aus der Wohnung und die Treppe hinunter.
    Als Jackie das Büro betrat, konnte June McGuire, die kleine Stenotypistin, die sich darum bemüht hatte, Jackie während ihrer Abwesenheit zu vertreten, vor Erleichterung kaum einen zusammenhängenden Satz hervorbringen.
    «O Jackie, Gott sei Dank, daß du wieder da bist. Es ist entsetzlich gewesen. Als ich dem Chef heute morgen gesagt habe, daß du noch nicht da bist, dachte ich, er kriegt einen Schlaganfall. Der Mann macht mich völlig fertig.»
    «Ja, er ist ein ziemliches Ungeheuer», stimmte Jackie zu. «Wenn er mich sieht, werde ich erst mal schön was zu hören kriegen.» Sie kannte Sir Reginalds Methoden, kleine Stenotypistinnen fertigzumachen, aber ihrer strahlend guten Laune konnte er damit nichts anhaben.
    Doch als sie sich ein paar Minuten später in Sir Reginalds Zimmer zurückmeldete, sah er sie nur von unten durch seine buschigen Augenbrauen an und äußerte die rätselhaften Worte: «Ah, da sind Sie ja, Miss Marsh. Ich dachte, Sie hätten sich auch entschlossen zu verschwinden.»
    «Es tut mir sehr leid, Sir Reginald», entschuldigte sich Jackie. «Ich wollte wirklich heute morgen zurück sein, aber ein Anschluß in Stalingrad hat nicht geklappt.»
    Sir Reginald brummte. Ihm war durchaus klar, daß seine Sekretärin wahrscheinlich die Nacht durch gereist war, aber das war ihre Sache. Er verschwendete keine Zeit damit, sie zu fragen, ob sie müde und ob der Urlaub schön gewesen war. Wenn man ihm nicht

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