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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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hatte?»
    «Wirklich, das tut mir schrecklich leid, Sir Reginald», sagte Jackie ehrlich zerknirscht. Aber sie ließ Sir Reginalds Gebrüll, ohne mit der Wimper zu zucken, über sich ergehen. Aufgerichtet stand sie an der Tür, fast bewegungslos, mit erhobenem Kopf und ihrem geraden, resoluten Blick. Nur ihre fest geballten Fäuste und das leicht vorgeschobene Kinn, das das Zittern ihrer Unterlippe verhindern sollte, zeigten, daß sie vor Angst fast verging.
    Humphrey, der überhaupt nichts gesagt hatte, beobachtete sie fasziniert. Ihre Haltung und ihr Mut beeindruckten ihn mehr, als er zugeben mochte. Sie hatte also keinen Witz gemacht - denn es stand wohl außer Frage, daß sie einen Witz nicht so weit gehen lassen würde. Er war erleichtert, daß Miss Baker in Sicherheit zu sein schien, aber unerklärlicherweise sorgte er sich um dieses Mädchen und wie sie sich wohl aus dieser unangenehmen Lage befreien würde.
    «Ich sehe jetzt ein, daß ich hier in der Botschaft hätte melden müssen, daß ich meine Wohnung an jemand ausgeliehen habe», sagte Jackie ruhig. «Aber vor vierzehn Tagen kam mir das nicht so wichtig vor. Miss Baker kannte niemand in Moskau, und meine Wohnung war viel angenehmer für sie als ein Hotelzimmer. Sie hat mir nichts von einem Neffen erzählt. Und Mr. Napier auch nicht - ich meine, von ihr.»
    Sie warf Humphrey einen vorwurfsvollen Blick zu, den Sir Reginald auffing.
    «Kennt ihr beide euch denn?» knurrte er mißtrauisch.
    «Wir haben uns am ersten Tag, als ich in Moskau ankam, kennengelernt, Sir», gab Humphrey zu. «Miss Marsh hat mir geholfen, an mein Zimmer im Metropol heranzukommen.»
    «Miss Marsh scheint der irrigen Ansicht zu sein, daß das Botschaftspersonal dazu da ist, eine Art Reisebüro-Kundendienst für britische Touristen zu versehen», sagte Sir Reginald mit einem bösen Blick.
    «Das hatte nichts mit der Botschaft zu tun», ließ sich Jackie provozieren. «Das war an meinem ersten Urlaubstag.»
    «Urlaubstag hin, Urlaubstag her, wenn Sie so lange im auswärtigen Dienst sind wie ich, werden Sie noch entdecken, liebes Kind, daß man mit britischen Touristen am besten fertig wird, wenn man ihnen völlig aus dem Weg geht. Wenn sie nicht in höchsteigener Person zu Ihnen kommen und Sie während der Dienststunden belästigen, sollten Sie überhaupt keine Notiz von ihnen nehmen. Sie sind nämlich unweigerlich immer in irgendwelchen Schwierigkeiten, und wenn Sie versuchen, ihnen zu helfen, kommen Sie selbst auch in Schwierigkeiten.»
    Sir Reginald schien sich zu beruhigen, und Jackie wußte aus Erfahrung, daß seine Schrecken verbreitenden Wutausbrüche nie lange dauerten. Humphrey aber war sprachlos über die entspannte, unvoreingenommene Haltung, die er plötzlich annahm. Sir Reginald erhob sich und ging tief in Gedanken zwischen Schreibtisch und Tür hin und her.
    «Da Sie nun einmal nicht nur sich selbst, sondern die gesamte Botschaft und das Auswärtige Amt in die Baker-Affäre verwickelt haben, hat es keinen Zweck, jetzt darüber zu jammern, wie es dazu kommen konnte», sagte er schließlich. «Worüber wir jetzt nachdenken müssen, ist die
    Frage, wie wir diese sensationelle und äußerst enttäuschende Entwicklung an die Presse gelangen lassen. Miss Baker hatte eine Erkältung. Deshalb blieb sie zwei Wochen in Miss Marshs Wohnung, woraufhin alle Welt hysterisch wurde.»
    Wenn sich Sir Reginald über eine Sache klargeworden war, pflegte er sofort zu handeln.
    «Das ist natürlich unmöglich. Völlig absurd. Kann man so nicht in die Zeitungen kommen lassen. Die Frage ist, können wir’s verschweigen?»
    Er drehte sich plötzlich zu Jackie um.
    «Wo ist Miss Baker jetzt?»
    «Ich glaube, in meiner Wohnung», sagte Jackie zögernd. «Sie hat zwar etwas davon gesagt, sie wolle zum Metropol gehen und ein Zimmer reservieren lassen, aber ich habe ihr zugeredet, das bis morgen zu lassen.»
    «Dann rufen Sie sie sofort an und halten Sie sie in der Wohnung fest», befahl Sir Reginald. «Und rufen Sie die Garage an, sie sollen mir den Rolls schicken. Ich fahre sofort zum Außenministerium und werde versuchen, irgendeinen Kompromiß zu schließen, bevor die Sache publik wird. Alles, was ihr beide zu tun habt, ist, Miss Baker vom Metropol und von den Journalisten fernzuhalten, bis ich die Sache mit den Russen geregelt habe.»
    Das klang sehr einfach, aber als Jackie in ihrer Wohnung anrief, nahm niemand ab. Nachdem Sir Reginald fortgefahren war, versuchte sie es wieder und wieder, aber

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