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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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das Gegenteil sagte, ging er stets von der Annahme aus, man sei auf dem Posten und arbeitsbereit. Also überreichte er ihr einen Stapel von Dokumenten und gab der Hoffnung Ausdruck, daß falsche Rechtschreibung, zu schmale Ränder und Tippfehler nun der Vergangenheit angehörten.
    «Und jetzt können Sie mir auch all die Leute vom Hals halten. Verstanden? Wenn Mr. Napier kommt, bin ich für ihn zu sprechen, aber für niemand anders. Dem Himmel sei Dank, Ihnen brauche ich nicht zu sagen, daß Sie die Tür richtig zumachen sollen.»
    «Napier», überlegte Jackie, während sie die Papiere in ihr Büro trug. June McGuire räumte bereits ihre Sachen zusammen, um sich dankbar wieder in den Schreibsaal zurückzuziehen.
    «Napier», wiederholte Jackie. «Wer ist das eigentlich?»
    «Oh, der ist nett! Der macht einen nicht fertig», seufzte June. «Weißt du, seine Tante ist doch -»
    «Ist er ziemlich jung, groß, furchtbar englisch?»
    «Ja», stimmte June zu. «Sehr höflich. Er kann nichts dafür, daß alles drunter und drüber geht. Aber immer wenn er kommt -»
    Ein Beamter von der Kanzlei klopfte an die Tür.
    «Mr. Napier für den Botschafter», rief er durch den Türspalt. «Soll ich ihn direkt hinbringen? »
    «Ja», sagte Jackie - aber dann war die Neugier doch größer. «Oder nein, einen Augenblick, Arthur. Ich führ ihn selbst hin.»
    Sie öffnete die Tür und erkannte Humphrey sofort wieder: er war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, aber immer noch genauso steif und ernst.
    «Guten Tag, Mr. Napier. Sie scheinen sich ja in Moskau schon auszukennen», lächelte sie.
    «Oh, Sie sind das», sagte Humphrey überrascht. Und er entdeckte, daß Jackies Selbstsicherheit ihn immer noch verlegen und unbeholfen machte.
    «Ich hatte mir schon gedacht, daß Sie zur Botschaft gehören», fügte er hinzu.
    «Da sind Sie mir um einen Sprung voraus», lachte Jackie. «Ich weiß nämlich immer noch nicht, was Sie eigentlich in Moskau machen.»
    «Dann müssen Sie zu den wenigen Menschen in England oder Rußland gehören, zu denen das noch nicht durchgedrungen ist», sagte Humphrey trocken. «Inzwischen ist es so allgemein bekannt, daß ich gar I nicht weiß, warum ich es Ihnen am ersten Tag nicht gleich erzählt habe, f Sie hätten bestimmt ein paar hochinteressante Hypothesen über das I Verschwinden meiner Tante entwickeln können.»
    «Ihre Tante ist verschwunden? Das tut mir leid.»
    «Soll das heißen, daß Sie noch nichts davon gehört haben? Bei all den Schlagzeilen über Miss Baker?»
    «Miss Baker?» Jackie war so erstaunt, daß sie zuerst eher Belustigung: als Beunruhigung spürte. Humphrey Napier und Miss Baker waren eine so unwahrscheinliche Kombination. «Ist Miss Baker Ihre Tante? Ich weiß natürlich, wo sie ist. »
    «Wo?»
    «In meiner Wohnung.»
    Humphreys Gesicht verhärtete sich. Einen Augenblick starrte er Jackie J mit tiefster Abneigung an. Das war eben das Übel mit diesen verwöhn- j ten, launischen, attraktiven Mädchen - sie hatten kein Feingefühl. Alber- I ne Scherze fand Humphrey in diesem Augenblick höchst unangebracht.
    «Wenn der Botschafter Zeit hat, würde ich ihn jetzt gern sprechen», sagte er steif und wandte sich von ihr ab.
    Jackie blieb verblüfft an der Tür stehen. Sie schwankte, ob sie Humphrey zurückrufen und um eine Erklärung bitten oder ob sie abwarten sollte, bis sie mehr über den Grund seiner mysteriösen Empfindlichkeit erfahren hatte.
    «Er macht sich wirklich Gedanken», sagte June hinter ihr. «Das war nicht sehr nett von dir, daß du darüber Witze machst.»
    «Das war kein Witz», sagte Jackie, als sie ins Zimmer zurückging, «Warum soll Miss Baker denn nicht in meiner Wohnung sein?»
    «Das ist unmöglich. Nach der großen Aufregung.» June zeigte auf die Aktenstücke, die sie gerade abheftete. «Du weißt ja nicht, was hier in den J letzten beiden Wochen los war, oder du würdest nicht mal im Traum dran denken, frivole Scherze zu machen. Sie muß etwa zu der Zeit verschwunden sein, als du in Urlaub gingst.»
    «Am selben Tag», sagte Jackie in plötzlicher Erleuchtung. June war so damit beschäftigt, den verwickelten Baker-Fall zu erklären, daß ihr der seltsame verstörte, fast verzweifelte Ausdruck in Jackies Augen völlig entging.
    «...Als Mr. Napier in keinem Hotel eine Spur von ihr entdecken konnte, wandte er sich an die Botschaft, und dann bekam die Presse Wind davon, und dann nahm die Prawda die Sache auf -»
    « Prawda? Was hat denn die Prawda damit zu

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