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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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skrupellose Weise auf und-»;
    Der Rest ging in einem empörten Aufschrei unter. Um Miss Baker hatten sich inzwischen zwei starke Parteien gebildet. Sie war fast zur Legende geworden, und Sir Williams Gleichgültigkeit befriedigte keine der beiden Parteien. Die Presse war bereit, in ihr eine Schurkin oder eine Heldin zu sehen; sie war aber nicht bereit, Miss Baker als eine farblose und uninteressante Persönlichkeit zu akzeptieren.
    «Sie hat doch aber bei Ihrem Abschiedsessen in Moskau gesprochen -oder? »
    «Laut Prawda hat sie Ihre Delegation praktisch an der Nase herumgeführt.»
    «Sie müssen sie doch wenigstens gesehen haben. Wie sah sie aus?»
    Mit Recht empört darüber, daß man sie der Möglichkeit, endlich Tatsachen über die mysteriöse Miss Baker zu erfahren, berauben wollte, hielt die Presse mit ihrem Mißfallen nicht hinterm Berg. Sir William räumte verwirrt das Feld. Statt seiner ergriff Patricia Cartwright ruhig und freundlich das Wort.
    «Was Sir William eben gesagt hat, ist völlig richtig: Miss Baker war nie ein Mitglied unserer Delegation», sagte sie, und ihre ruhige Stimme brachte den Lärm sofort zum Schweigen.
    «Einige von uns jedoch haben die kurze Bekanntschaft mit ihr sehr genossen und sie als sehr anregend empfunden. Abgesehen davon wissen wir sehr wenig über sie. Sie bezeichnete sich selbst als gewöhnliche Touristin, und ich habe keinen Grund, etwas anderes anzunehmen. Es sei denn, daß man Miss Baker wohl kaum als (gewöhnlich) bezeichnen kann. Sie ist dieses undefinierbare, oft irritierende, aber immer interessante Phänomen, das in England so gut gedeiht - eine Type.»
    Das war es, was die Presse wollte. Alles scharte sich um Patricia Cartwright. Wenn sie jetzt eine lange politische Rede gehalten hätte, wäre jedes ihrer Worte mitgeschrieben worden. Aber mit ihrem Flair für den richtigen Augenblick lehnte sie jeden weiteren Kommentar ab, und den Reportern blieb nichts anderes übrig, als sich an die unwichtigeren Mitglieder der Delegation zu halten.
    Mrs. Hoskins sagte großzügig, daß Miss Baker « sehr energisch und für eine Frau ihres Alters äußerst bemerkenswert» gewesen sei; Emlyn Richards und Horace Cleghorn steuerten bei, daß Miss Baker grauhaarig war und meist einen Regenschirm bei sich hatte; James Bailey sagte, sie sei die Vertreterin eines aussterbenden Typs - der unerschrockenen, freimütigen englischen alten Jungfer; und Dr. Clarke fügte dem Porträt, das sich die Öffentlichkeit von Miss Baker zu machen begann, den abschließenden Pinselstrich hinzu, indem er sagte, er erinnere sich am deutlichsten, wie sie ihm Tee aus einer Thermosflasche einschenkte, die zu füllen - dessen sei er sicher - ihr selbst in der Wüste Sahara gelingen würde.
    Über Nacht wurde Miss Baker mit ihrer Thermosflasche für eine Million englischer Haushalte eine genauso denkwürdige Gestalt wie Florence Nightingale mit ihrer Lampe. Ihre Rede wurde in allen Einzelheiten wiedergegeben und ausgeschmückt, der erfolglose Versuch ihres Großneffen, sie nach Hause zu holen, und ihr seltsames Verschwinden wurden in dramatischer Bildhaftigkeit geschildert. Langsam nahm Miss Baker in der öffentlichen Meinung Gestalt an - tapfer, würdevoll, unverwechselbar englisch.
    Die Öffentlichkeit hatte Miss Baker und ihre Thermosflasche ins Herz geschlossen. Sie war das Symbol eines rapide zusammenschrumpfenden Weltreichs, Symbol des Muts, der Loyalität und stoischer Ausdauer. Man schrieb bitterböse Leserbriefe an die Zeitungen, die sie kritisiert hatten; man beschwor die Abgeordneten des Parlaments, etwas zu tun, und bombardierte das Auswärtige Amt mit Gesuchen, sie aus den Händen der Kommunisten zu befreien.
    Sir John Plummer ließ die Arbeit an dem Fischerei-Abkommen mit Lappland liegen und eilte zu aufgeregten Konferenzen mit einer Reihe von Staatssekretären. Kabinettsminister wurden zu Rate gezogen, Beschlüsse wurden gefaßt und genaue Anweisungen, die jede nur denkbare Möglichkeit berücksichtigten, an die Britische Botschaft telegrafiert.
    Unter diesem fortwährenden Druck war der Botschafter gezwungen, fast täglich beim sowjetischen Außenministerium zu protestieren, den Chef der Abteilung West-Europa mehrmals und völlig erfolglos zu besuchen und den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, mit Mitgliedern des Politbüros ins Gespräch zu kommen.
    Diese Art sinnloser und dauernder Geschäftigkeit war Sir Reginald höchst zuwider. Er war ein Diplomat der alten Schule, gewohnt, über

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