Oma klopft im Kreml an
Leben.
«Entschuldigen Sie, mein Kind», sagte sie. «Ich weiß, ich sollte auf Sie hören. Es wäre für alle Betroffenen so viel einfacher, wenn ich mit Humphrey nach England zurückkehrte und meinen Traum, das Leben in Rußland wirklich einmal kennenzulernen, begrabe. Aber ich fürchte, ich habe noch nie auf jemand gehört, und ich bin ein bißchen zu alt, um mich noch zu ändern. Mein ganzes Leben lang habe ich immer den Ehrgeiz gehabt, alles selbst zu sehen und zu erfahren. Ich habe dabei gar nicht das Bedürfnis, den andern Leuten davon zu erzählen oder sie mit meinen Entdeckungen zu irgend etwas zu bekehren. Ich möchte es einfach wissen. Das müssen Sie Ihrem Botschafter morgen früh sagen. Wenn mein Visum noch gilt, bleibe ich noch. Humphrey, es ist schon sehr spät. Ich glaube, du gehst jetzt in dein Hotel und läßt uns schlafen gehen.»
Es hätte keinen Sinn gehabt, an diesem Abend die Diskussion mit Miss Baker fortzusetzen.
15
Am nächsten Morgen - Jackie hatte gerade Sir Reginalds Telegramm, daß Miss Baker heil wieder in der Wohnung angekommen war, fertig getippt - fiel ein Schlag aus völlig unerwarteter Richtung.
Sie nahm das Telefon ab, in der Erwartung, Humphreys höfliche Bitte um eine Audienz beim Botschafter zu hören - und hörte statt dessen Stewart Fergusons selbstsichere, leicht spottende Stimme.
«Guten Morgen, meine liebe, unzuverlässige, hinterhältige Freundin. Und was, darf ich fragen, tut Miss Baker in deiner Wohnung?»
«Haha, sehr witzig», sagte Jackie in dem Versuch, ihren Schreck hinter oberflächlichem Geplänkel zu verbergen. «Leider bin ich so früh am Morgen noch nicht zu Denksportfragen aufgelegt. Aber ich werde mitspielen. Also, was tut Miss Baker denn in meiner Wohnung?»
Es machte Stewart Spaß, sein Opfer hinzuhalten. Er lachte leise und sagte nichts in der Hoffnung, Jackie zu einer unüberlegten Äußerung zu verleiten. Aber sie kannte Stewarts Taktiken und hüllte sich in ein zwar etwas verschrecktes, aber unerbittliches Schweigen.
«Diese brillante Antwort ist eines so klugen Mädchens, wie du es bist, unwürdig», rügte Stewart. «Die Presse weiß alles, es hat also keinen Zweck, auszuweichen.»
«Was weißt du denn?»
«Ich habe einen Hinweis von einem deiner Nachbarn bekommen, daß gestern nacht eine ältere Dame, auf die Miss Bakers Beschreibung paßt, in deiner Wohnung eingetroffen ist.»
«Und das ist alles? Also Stewart Ferguson, ich schäme mich für dich,
daß du auf solch dummes Geschwätz hörst. Kein Wunder, daß der Daily Guardian-»
«Nein, das ist nicht alles.» Stewarts Stimme klang unerträglich selbstzufrieden. «Ich habe heute morgen gewartet, bis du weg warst, und habe dann bei dir angerufen. Miss Baker hat abgenommen. Ich habe die Stimme sofort erkannt, aber sicherheitshalber gefragt: «Wenn du eine offizielle Stellungnahme hören willst, dann sprichst du am besten mit dem Kanzleichef oder mit dem Botschafter», meinte Jackie mit ihrem amtlichsten Ton.
«O nein», lachte Stewart. «So leicht wirst du mich nicht los. Ich denke nicht dran, in die Botschaft zu kommen und da den halben Vormittag in der Halle herumzusitzen. Schließlich wird dann Sir Reggie so gnädig sein, mich vorzulassen, und wird mir eine ergreifende kleine Vorlesung halten über die Ehre des Britischen Empire, und daß, wie er wohl wisse, die Herren von der Presse die mutigen Verfechter der alten Ideale sind - «Aber ich geh nicht mit dir zum Mittagessen», protestierte Jackie.
«Habe ich dir das noch nicht gesagt? Sobald ich mein Telegramm aufgegeben habe, werde ich mich auf deiner Türschwelle niederlassen. Es
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