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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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den Asphaltboden des Hofes. Niemand war zu sehen, und er sprang hinunter.
    Ein oder zwei Sekunden später folgte ihm Miss Baker. Während er sie vorsichtig vom Fenstersims hob, versah Jackie Ihre Pflichten als Nachhut und schloß hinter sich die hohen Fenster.
    «Zum Glück kaum windig», sagte sie, auf dem Außensims balancierend. Sie sah zu den Sternen auf und betrachtete die wenigen bewegungslosen Wolken, und das so ohne jede Eile, daß Humphrey sie hätte schütteln mögen. «Da werden die Fenster wohl kaum von allein aufgehen.»
    Humphrey stellte Miss Baker behutsam auf den Boden und hielt Jackie einen Arm hin, aber sie hatte sich schon hingehockt, eine Hand auf das Sims gestützt und sprang geschickt neben ihm herunter.
    «Alles in Ordnung, Miss Baker? Drehen Sie Ihr Gesicht weg und gehen Sie auf der andern Seite von Humphrey, wenn wir an dem Milizsoldaten Vorbeigehen. Wahrscheinlich kennt er Sie sowieso nicht, aber besser ist besser.»
    Jackie lenkte sie mit schnellen Schritten durch die Einfahrt, rief dem salutierenden Milizsoldaten ein freundliches «Guten Abend» zu und wandte sich nach rechts zur Bushaltestelle. Um diese Zeit war es dort leer, und sie stiegen in den ersten Bus, der kam.
    «Sehen Sie nicht hin», sagte Jackie zu Humphrey, während sie zurückblieb und Miss Baker durch den Mittelgang Vorgehen ließ. «Aber hinter uns steigt ein Freund ein - der mit dem Schlapphut, den dicken Gummisohlen und dem grauen Regenmantel. Ich sage Miss Baker nichts. Es würde sie nur beunruhigen.»
    «Sie meinen, wir werden beschattet?»
    «Ganz sicher sogar. Er hat uns keines Blickes gewürdigt, und das ist ein sicheres Zeichen. Ich bin überall auf den Märkten von Samarkand und Buchara beschattet worden, und - abgesehen von der Kleidung, die die reinste Uniform ist - hab ich es nur daran gemerkt, daß einen jeder anstarrt. Nur die nicht. Offensichtlich lernen sie das als Wichtigstes bei ihrer Ausbildung.»
    Jackie setzte sich vorn neben Miss Baker, und Humphrey betrachtete den andern Fahrgast, während er bei der Schaffnerin ihre Fahrscheine löste. Der junge Mann war breit und untersetzt, trug schwere schwarze Schuhe und eine auffällige Armbanduhr. Er blickte so völlig ausdruckslos, daß Humphrey den irrsinnigen Wunsch verspürte, einen Kopfstand zu machen, nur um zu sehen, ob dieses Gesicht wenigstens oberflächliches Interesse zeigen konnte.
    Humphrey setzte sich seitwärts in den Sitz hinter Jackie und Miss Baker, so daß er den Mann im Auge behalten konnte, der sich hinten im Bus niederließ und während der ganzen Fahrt aus dem Fenster starrte.
    Trotzdem stieg er mit ihnen zusammen an der Endhaltestelle aus und verschwand, während Miss Baker Humphrey und Jackie zuerst eine Straße mit vielen Geschäften und dann einen kleinen morastigen Weg entlangführte.
    «Das ist das übliche», sagte Jackie, als sie sah, wie Humphrey überrascht hinter dem Mantelzipfel ihres Verfolgers hersah, der gerade um die Ecke verschwand.
    «Er wartet jetzt hinter dieser Ecke, bis wir weg sind, und dann kommt er wieder hinter uns her und bleibt immer eine Straße zurück. Das gehört zur Methode. Wir sollen ja nicht wissen, daß wir beschattet werden. Aber sie machen es so dilettantisch, daß man es einfach merken muß. Die armen Kerle, man sollte ihnen mal ein paar Tips geben.»
    Während sie den engen, glitschigen Weg bergauf stiegen, waren sie ein wenig hinter Miss Baker zurückgeblieben.
    «Aber wird denn das alles nicht etwas gefährlich für ihre Freunde werden?» protestierte Humphrey. «Er wird doch einen Bericht machen, und sie werden in Schwierigkeiten kommen.»
    «Wahrscheinlich sind sie schon in Schwierigkeiten. Wenn sie heute abend beschattet wird, dann ist sie ziemlich sicher gestern abend auch beschattet worden. Aber jetzt können wir wenig tun. Wir wollen zunächst einmal abwarten.»
    Jackie war es, die die beiden Milizsoldaten entdeckte, die im Schatten der Kirchentür Wache standen. Miss Baker hatte sie bereits durch ein Loch in der Mauer geführt und ging erwartungsvoll auf die Kirche zu, als Jackie sie zurückhielt und ihr zuflüsterte: «Ich glaube, wir gehen besser nicht weiter, Miss Baker.»
    «Unsinn», rief Miss Baker aus, die die Milizsoldaten ebenfalls gesehen
    hatte, aber fest entschlossen war, sie zu ignorieren. «Wir haben genauso ‘ das Recht, hier zu sein, wie alle andern. Meine Freunde haben mich gebeten, wiederzukommen und sie zu besuchen. Ich weiß nicht, warum diese Polizisten da

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