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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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zu Ihrer Kirche.
    Dorthin wollen Sie doch sowieso, nicht wahr? Also gehen Sie gleich heute abend. Es hat doch keinen Sinn, hier in der Wohnung herumzusitzen und die Zeit totzuschlagen. Sie würden doch gern zu Ihrer Kirche fahren, nicht, Miss Baker?»
    Jackies plötzliche Stimmungsumschwünge waren höchst verwirrend, aber sie waren ansteckend. Humphrey merkte, wie die guten Vorsätze seiner Tante angesichts dieser neuen Versuchung ins Wanken gerieten. Er fing an zu protestieren, wurde dafür von Jackie heftig gezwickt und ins Wohnzimmer geschoben, während Miss Baker unentschlossen in der Diele zurückblieb.
    «Sehen Sie denn nicht, daß das die Sache ist?» fragte sie ungeduldig, während sie die Tür hinter sich zuzog, damit Miss Baker allein zu einem Entschluß kommen konnte. «Ich weiß zwar nicht, was daraus wird. Ich habe Ihnen ja gestern abend erzählt - und es war mir wirklich ernst damit -, daß das Wiedertreffen mit russischen Bekanntschaften immer anders ist. Ich bin schon hundertmal furchtbar enttäuscht worden, und es liegt nahe, daß es Miss Baker genauso gehen wird. Sie wissen doch, nur die persönliche Erfahrung kann sie überzeugen. Ihre Einwände würden gar nichts nützen. Also geben Sie mir doch eine Chance. Schaden kann es nichts.»
    «Im Gegenteil», wandte Humphrey berechtigterweise ein. «Wenn dieser Herby Wilson uns dabei erwischt, wie wir durch sein Küchenfenster kriechen, sehe ich eine ganze Menge Schaden auf uns zukommen.»
    «Die Sache ist praktisch ohne Risiko. Wie oft geht man schon nach dem Abendessen noch in die Küche? Vielleicht ein-, zweimal, um Eis zu holen oder Wasser aufzusetzen.» Jackies Argumente waren oft etwas unlogisch. «Es ist ja nicht wie beim Badezimmer, wo die Leute jederzeit auftauchen können.»
    Miss Bakers Kopf, von ihrem altmodischen Hut gekrönt, erschien in der Tür.
    «Also Jackie, wenn Sie mich zur Kirche bringen wollen, dann stehen Sie nicht herum. Es wird spät, und die Busfahrt allein dauert zwanzig Minuten.»
    Jackie schnitt Humphrey eine triumphierende Grimasse und flog in die Diele.
    «Ich bin schon fertig.»
    Sie war wie ein kleines Kind, das eifrig damit beschäftigt ist, die Erwachsenen gegeneinander auszuspielen, und plötzlich merkt, daß es bereits mit der Hälfte seiner Munition erreicht hat, was es mit der ganzen kaum zu erreichen hoffte.
    «Machen Sie sich’s hier bequem, Humphrey, oder gehen Sie ins Hotel, wenn Sie wollen.»
    «Ich komme mit», sagte Humphrey ohne Hoffnung, aber entschlossen.
    Sie ließen das Licht in der Wohnung brennen und schlossen die Küchentür mit einer raffinierten, von Jackie erfundenen Bindfadenkonstruktion, die nicht allzu hartnäckigen Öffnungsversuchen ausreichend zu widerstehen schien.
    Humphrey war zwar skeptisch, aber Jackie machte ihn darauf aufmerksam, daß man es wahrscheinlich schon bei Tageslicht mit der Tür probiert hatte und daß die Reporter im Augenblick kaum ihren Posten vor der Wohnung aufgeben würden, um sich an einer Tür zu versuchen, die nur zu den darunterliegenden Küchen führte.
    Zum Schrecken Miss Bakers drang aus der Küche der Parterrewohnung großer Lärm. Sie tastete im Dunkel nach Jackie, die durchs Schlüsselloch guckte, und versuchte, sie wieder die Treppe hinaufzuziehen.
    «Psst. Wir haben Glück», flüsterte Jackie optimistisch. «Merken Sie denn nicht? Wenn sie jetzt alle drin sind, werden sie eine ganze Weile nicht wiederkommen. Wir brauchen nur ein paar Minuten zu warten. Alles ist ganz einfach.»
    Der Eigentümer der Küche zumindest schien Jackies Meinung zu teilen.
    «So, jetzt haut mal wieder ab auf euern Posten», forderte er seine Gäste mit lauter Stimme auf. «Den Kühlschrank habt ihr nun inspiziert, und Bier ist keins mehr da. Eis gibt’s auch nicht mehr, und die Flasche Whisky hebe ich für wichtigere Leute auf. Was glaubt ihr eigentlich, was es hier gibt? Freibier?»
    «Dann laß uns doch wenigstens Tee kochen, du Geizkragen.»
    «Erst wascht ihr mir alle Tassen und Gläser ab, die ihr benutzt habt.»
    Offensichtlich bereute der Gastgeber seine Gastfreundlichkeit bereits, und Jackie schnitt eine Grimasse, als sie seine Aufforderung zu ausgedehnten Säuberungsaktionen hörte.
    «Als ich vorhin reinschaute, standen Berge von Geschirr im Abwaschbecken», stöhnte sie.
    Aber die Journalisten waren nicht in häuslicher Stimmung.
    «Nun mach mal’n Punkt, Herb. Morgen früh kommt ja wohl dein Dienstmädchen. »
    «Wenn diese Baker-Sache noch länger dauert, dann

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