Oma klopft im Kreml an
sich zwei von ihnen als Botschaftsbeamte aus und spielten ihre Rolle so überzeugend, daß es eine Weile dauerte, bis Humphrey ihnen auf die Schliche kam, und noch länger, bis er sie wieder aus der Wohnung gedrängt hatte.
Nach diesem Zwischenfall verdoppelte er seine Vorsichtsmaßnahmen. Als er die Stimme des Vizekonsuls durch die Tür nicht erkannte, rannte er zum Fenster, um zu sehen, ob einer der schwarzen Botschaftswagen unten stand, dann zum Telefon, um rückzufragen, ob wirklich ein Beamter geschickt worden war. Er stellte Fragen durch die Tür und öffnete sie erst, als er seiner Sache ganz sicher war. Er dachte daran, sich ein Kennwort auszudenken.
Auch an der Hintertür hatte er Schwierigkeiten, denn auch dort klopften Reporter, diesmal allerdings als russische Hausmeister und Klempner verkleidet und mit dem (in leicht durchschaubarem Operettenrussisch geäußerten) Ansinnen, Gasboiler zu reinigen, verstopfte Müllschlucker in Ordnung zu bringen oder tropfende Hähne zu flicken.
Gegen Abend hatten sie schließlich Erfolg. Zwei Korrespondenten entdeckten im Keller des Appartementhauses die Hauptsicherung, die sie sofort herausdrehten. Jackies Wohnung wurde plötzlich dunkel, und
Miss Baker beklagte sich, daß sie beim Stricken nichts mehr sehen könne.
So war Humphrey bereit, dem authentisch wirkenden russischen Elektriker und seinem Gehilfen, die sich kurz danach an der Hintertür einfanden, zu glauben.
Sie brachten ihr Anliegen in überzeugender Zeichensprache und mit komplizierten technischen Erklärungen vor, die in der Hauptsache aus englischen Wörtern bestanden, an die ein russisches oder gehängt war. Aber Humphrey hatte gehört, daß die moderne technische Fachsprache praktisch international sei.
Wider besseres Wissen erlaubte Humphrey ihnen, ihre geborgten Werkzeugtaschen auf dem Küchentisch auszupacken und am Sicherungskasten herumzuschrauben. Aber als sie anfingen, durch die Wohnung zu gehen und Lichtschalter auszuprobieren, blieb er ihnen mit wachsendem Unbehagen auf den Fersen.
Ihr Trick hätte trotzdem Erfolg gehabt, wenn nicht Miss Bakers Anblick, die friedlich strickend im Wohnzimmer saß, zu viel für sie gewesen wäre. Sie rissen die Kameras unter ihren Arbeitskitteln hervor und machten mehrere exklusive Aufnahmen, ehe Humphrey eingreifen konnte.
Er schickte seine Tante ins Badezimmer und drängte die Elektriker durch die Küchentür.
«Du mußt jedesmal, wenn ich die Tür öffne, ins Badezimmer gehen», wiederholte er.
Aber Miss Baker sagte, dann fielen ihr die Maschen von der Nadel, außerdem unterbreche es sie beim Denken und hindere sie am Packen.
«Telegramma. Napier. Telegramma.»
Humphrey ging resigniert zurück an die Tür.
«Noch mal mach ich nicht auf.»
«Telegramma.»
«Napier, ganz ehrlich, hier ist ein Telegramm für Sie.»
«Das glaube ich nicht», schrie Humphrey, während er sich bereits fragte, ob ihm sein Vater wohl ein Telegramm geschickt hatte. «Wie soll es denn an diese Adresse hier kommen?»
«Die übliche Hilfsbereitschaft der Presse», brüllte jemand aus dem Treppenhaus herauf. «Einer von den Jungs hat es vom Metropol an Sie weitergeleitet.»
«Dann leiten Sie es ruhig wieder zurück. Oder schieben Sie es unter der Tür durch.»
Ein kurzer Wortwechsel entstand auf der Treppe. Mehrere Journalisten schienen nicht geneigt, das Telegramm - wenn überhaupt eins da war - auszuhändigen und auf das Vergnügen zu verzichten, Humphrey zum Türöffnen zu zwingen.
«Ach, geh. Gebt’s ihm doch.» Humphrey hörte, wie andere Einwände machten. «Er hat einen schweren Tag hinter sich.»
Humphrey wartete. Überraschenderweise wurde ein paar Sekunden später ein bräunliches Kuvert unter der Tür hindurchgeschoben. Er hob es auf und trug es vorsichtig, als könnte es jeden Augenblick explodieren, ins Wohnzimmer. Es schien echt zu sein, und Humphrey öffnete es.
«Sehr erfreut, daß Sie Ihre Tante gefunden haben», las er. «Behalten Sie diese außerordentlich amüsante Geschichte nicht für sich. Sogar in Portugal haben wir alles über Miss Baker gelesen. Ferreira.»
Humphrey gestattete sich ein halbes Lächeln, als er an den vergnügten Manuel dachte.
«Was steht drin, Humphrey? Du bist heute zum erstenmal amüsiert.»
«Nicht richtig amüsiert», sagte Humphrey. «Aber es ist ja wohl wenigstens etwas, daß wir zur Unterhaltung der halben Welt beitragen.»
18
Humphrey war schließlich so erschöpft, daß er nichts sehnlicher
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