Oma packt aus
war.
»Rosalba gebar Don Antonio fünf Söhne, und trotzdem wurde sie nicht ruhiger«, erzählte Margherita mit leiser Stimme. »Es heißt, sie hat anderen Männern schöne Augen gemacht, und einmal hat Don Antonio sich sogar mit einem Mann duelliert. Er selbst bekam nur ein paar Schrammen ab, aber Rosalbas Verehrer verlor ein Auge.«
Nach den Waffen wollte ich lieber nicht fragen.
»Irgendwann haben Don Antonio und Rosalba nur noch gestritten. Und sie hat ihn ziemlich oft mit der Bratpfanne geschlagen.«
Sie ihn. Alles klar.
»Aber das Problem hat sich schließlich von selbst gelöst. Eines Tages ist sie mitten in einer Tarantella gestorben.«
»Was?«
»Die Tarantella. Du weißt schon. Das ist dieser schnelle Tanz. Früher hüpften die Leute so wild herum, wenn sie von einer Tarantel gestochen wurden. Davon kommt der Name.«
»Und Rosalba ist …«
»Genau. Mittendrin. Einfach umgekippt und war tot. Herzinfarkt.«
Uff!
Im Land der Zipfelmützenhäuser war aber auch gut was los.
»Alle haben dann gedacht, Don Antonio würde sich in seinem Kummer vergraben und nie wieder eine Frau anschauen. Trotz der Prügeleien haben sie sich nämlich innig geliebt. Sein Kummer schien nicht enden zu wollen. Aber zehn Jahre später zog die schöne Elena nach Alberobello. Und da war’s plötzlich um den Padrone geschehen. Er hat wieder geheiratet und diesmal fünf Töchter gezeugt.«
Ganz schön potent, der alte Herr. Das musste Marcello von ihm haben.
»Wow!«, sagte ich. Die bildschöne Dame dort am Kopfende des Tisches war also Elena.
»Ich bin seine jüngste Tochter.«
»Interessant.«
Rotwein und Limoncello verlangsamten meinen Denkprozess, ich kam nicht gleich auf die Lösung.
Margherita half mir aus. »Ich bin also deine Tante, aber du musst nicht Tante Margherita zu mir sagen.«
»Oh, vielen Dank. Das ist sehr nett.«
Jan war zu uns getreten, ohne dass ich ihn bemerkt hätte.
»Ciao Bella«, sagte er zu Margherita.
»Das ist deine Stieftante«, erklärte ich ihm.
Jan musterte mich. »Wie viel hast du getrunken?«
»Geht so.«
Margherita lachte ihn an. »Wenn ihr wollt, stelle ich euch die anderen Verwandten vor. Nele hat nämlich fünf Geschwister, vier Onkel und vier Tanten, neun Cousins und Cousinen und sechzehn Nichten und Neffen. Aber die sind nicht alle da heute. Außerdem …«
Hilfe! Aiuto !
Ich hob die Hand. »Können wir bitte morgen an dieser Stelle weitermachen? Ich glaube, das wird mir doch zu viel.«
Margherita nickte. »Und dann ist da natürlich noch Anna.«
Die schon wieder!
19. Zwei schöne Italiener
Sehr früh am nächsten Morgen wachte ich aus unruhigen Träumen auf. Ich war bei Paul gewesen, und er hatte mir erklärt, er könne mich leider nicht heiraten, weil er schon versprochen sei. Seine zukünftige Frau hatte meine Augen und hieß Anna. Echt gruselig.
Jan neben mir im großen Doppelbett schlief noch fest. Man hatte uns einen der größeren Trulli mit drei Schlafzimmern gegeben. In den anderen beiden schliefen meine Eltern und Irene mit Rüdiger.
Leise schlüpfte ich in ein Paar Jeans und ein Polo-Shirt. Fünf Minuten später stand ich draußen auf dem Hof. Die Sonne ging gerade erst auf, aber aus den verschiedenen Küchen drang bereits würziger Kaffeeduft.
Ich überlegte, mir ein Tässchen zu holen, entschied mich jedoch dagegen. Für ein Zusammentreffen mit meiner neuen Familie war es definitiv zu früh. Rasch trat ich auf die Straße. Ich hatte kein Ziel und ließ mich treiben. Frauen strebten an mir vorbei. Ich schätzte, sie waren auf dem Weg zum Markt oder in die Kirche. Männer waren noch keine zu sehen, und auch für Touristen war dies noch keine akzeptable Tageszeit. Ich kam an Dutzenden gleich aussehenden Trulli vorbei, bis die Straße mich schließlich aus Alberobello hinausführte.
Nach einer Weile bog ich auf einen schmalen lehmigen Weg ein, der ins ausgedörrte Nichts führte. Rechts und links standen verkrüppelte Olivenbäume mit silbrig schimmernden Blättern. Der Wind ließ die morschen Äste knacken und brachte den salzigen Geruch des Meeres mit. Als ich eine Anhöhe erreichte, sah ich mich um. Unter mir erstreckten sich Tomatenfelder und Weinberge. Nur hier und da gab es noch steiniges Brachland, auf dem vereinzelt Feigenkakteen wuchsen. Ich stellte mir vor, wie es hier im Sommer aussehen mochte, wenn die Sonne die Erde ausdörrte, die Eidechsen davon träumten, Fische zu sein, und die Felsen vor Hitze stöhnten.
Oh Gott! Offensichtlich konnte
Weitere Kostenlose Bücher