Oma packt aus
laut und deutlich. »Erstens besitze ich selbst einen Ferienhof, und zweitens würde ich von einem Hurenbock nichts geschenkt nehmen. Auch nicht, wenn er mein Vater ist.«
Das mit dem Hurenbock war mir so rausgerutscht und tat mir jetzt ein bisschen leid.
Anna spuckte wieder.
Na toll.
»Dann kannst du ja wieder abreisen. Ich habe deine Eltern schon zum Tanken geschickt. Die müssten gleich wieder da sein.«
Jan mischte sich ein. »Können Sie die Spuckerei mal lassen? Das ist unhygienisch.«
Anna betrachtete ihn wie ein ekliges Insekt.
Jan dachte gar nicht daran, den Blick zu senken. Konnte ganz schön stark sein, mein Bruder.
Die Situation war jetzt festgefahren, und wir hätten uns noch stundenlang so feindselig gegenüberstehen können, wenn nicht Marcello beschlossen hätte einzugreifen. Er kam auf den Hof und bedachte seine Frau mit einer Reihe von italienischen Flüchen.
Nahm ich jedenfalls an. Nach Koseworten klang das jedenfalls nicht. Anna fluchte zurück.
Hm, das konnte dauern.
Irene gesellte sich zu uns, hörte eine Weile zu und hob ratlos die Schultern. »Solche Ausdrücke lernt man nicht auf der Volkshochschule«, raunte sie uns zu.
Anna und Marcello bemühten weiter fleißig ihren Wortschatz und gaben sich auch Klapse auf Arme und Schultern.
»Das gibt gleich Mord und Totschlag«, mutmaßte Jan.
Irrtum.
Sie lagen sich plötzlich in den Armen, und Marcello sagte einen Satz, in dem mehrmals das Wort Amore vorkam.
»Er schwört ihr seine ewige Liebe«, übersetzte Irene. Bei so was kannte sie sich wieder aus. Ein melancholisches Lächeln glitt über ihre Lippen. Vermutlich hatte Marcello vor rund fünfunddreißig Jahren zu ihr dieselben Worte gesagt.
Uns hatten die beiden Temperamentsbündel glatt vergessen.
»Kommt.« Irene zog uns fort, Rüdiger folgte uns, musste dann aber draußen bleiben.
Wir betraten eine der großen Küchen, in der einige Frauen schon zu früher Stunde mit Essensvorbereitungen beschäftigt waren. In einem riesigen Topf wurde Tomatensoße eingekocht, am Tisch nahmen zwei Frauen fangfrischen Fisch aus. Eine junge Mutter stillte ihr Baby, eine andere zeigte ihrer etwa fünfjährigen Tochter, wie Nudelteig geknetet wurde. Ein echtes italienisches Idyll.
Na ja, vielleicht ausgenommen der Frau in Irenes Alter, die auf ihrem iPad herumwischte. Der gepiercte Junge mit dem Null-Bock-auf-gar-nichts-Flunsch passte auch nicht ganz ins Bild.
Ich beschloss, diese Störung in meiner Vorstellung von Bilderbuchitalienern großzügig zu ignorieren.
Jan gesellte sich zu der Mutter mit dem Nudelteig und machte begeistert mit.
»Ich wollte dich gern etwas fragen«, sagte ich zu Irene. »Aber hier ist es zu laut.«
Sie nickte.
»Ich weiß, wo wir hinkönnen. Das wollte ich dir sowieso zeigen.«
Sie führte mich durch einen schmalen Flur in ein kleines Zimmer. Nur zwei Sessel standen darin. Auf dem Boden lag ein dicker Perserteppich, im Kamin prasselte ein munteres Feuer, und auf einem schmalen Regal standen einige Bücher. Durchweg Klassiker.
»Der Padrone hat mir erlaubt, mich hier aufzuhalten«, erklärte mir Irene. »Das darf außer seinem Lieblingssohn Marcello sonst niemand.«
Wow! Den alten Herrn hatte sie aber schnell um den Finger gewickelt.
»Immerhin habe ich ihm eine weitere Enkelin geschenkt«, erwiderte sie, als ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Mit dir hat er die zwei Dutzend voll.«
Ich sag’s ja. Eine zeugungsfreudige Familie, diese Occhipintis.
»Was hast du auf dem Herzen?«
Ich schaute einen Moment ins Feuer, bevor ich meine Frage stellte. Konnte schließlich sein, dass mir die Antwort nicht gefiel. Vielleicht würde Irene nur ratlos die Augenbrauen heben, und dann würde sich alles, was sie mir schon über ihre Gefühle für mich erzählt hatte, als gelogen erweisen. Und ich hatte mich gerade so schön an die liebende junge Mutter gewöhnt, die ihr Kind mit blutendem Herzen einer anderen Frau schenkte.
Shit.
Nun musste ich es wissen. »Mein Name. Nele. Hast du ihn mir gegeben?«
Irene schüttelte den Kopf. »Ich habe darüber nachgedacht, aber dann habe ich es gelassen.«
Verflixt. Ich hatte es befürchtet. Also war ich ihr nicht wichtig genug gewesen. Nicht einmal einen Namen hatte sie für mich gewählt.
Irrtum.
»Ich war der Meinung, deine neuen Eltern sollten frei entscheiden können, aber wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du Walfriede geheißen, wie meine Großmutter.«
Walfriede?
Herr im Himmel!
»Oder Hannerose. So
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