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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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man sich in Süditalien auch im November und schon früh am Morgen einen Sonnenstich holen.
    In der Ferne zog ein einsamer Reiter auf einem Esel dahin, und die Zeit blieb stehen.
    Auf einmal gehörte ich hierher. Ja, ich war ein Kind dieser Erde, in meinen Adern floss schweres apulisches Blut.
    Sonnenstich, Nele! Zurückgehen! Sofort!
    Zu meiner Überraschung fand ich das Anwesen der Occhipintis auf Anhieb wieder, und während ich noch mein neues Heimatgefühl auskostete und selig vor mich hin lächelte, hörte ich eine kreischende Frauenstimme: »Maledetto puttaniere! Vergognati!«
    Klang nicht nett.
    Jan kam mir auf dem Hof entgegen. Margherita folgte ihm auf dem Fuße.
    »Ist gerade keine gute Idee, da reinzugehen«, sagte mein Bruder. »Anna ist wieder da.«
    Dachte ich’s mir doch.
    »Und was hat sie gerade gesagt?«
    »Verdammter Hurenbock! Schäm dich!«, erklärte Margherita.
    Hm. So genau wollte ich es doch nicht wissen.
    »Komm«, sagte Jan. »Wir gehen frühstücken. Margherita weiß, in welcher Cafeteria es die besten Hörnchen und den stärksten Kaffee gibt.«
    Gute Idee. Nur weg von hier.
    Margherita lief noch einmal zurück und kam mit Rüdiger wieder.
    »Der mag bestimmt auch Hörnchen.«
    Darauf kannst du wetten.
    So stolzierten wir durch den Ort und ließen uns schließlich auf der Terrasse der Cafeteria »La Bionda« nieder. Die namensgebende Blondine war zwar gefärbt, aber darüber sah ich angesichts des köstlichen Frühstücks hinweg. Nur Jan verwickelte sie in ein holpriges Gespräch über die richtige Färbetechnik. Wir tranken Cappuccino mit einem Berg aus Milchschaum und einem Klecks Zabaione, bissen in ofenwarme Brioches, wie die Hörnchen hier hießen, und erfrischten uns an einer Spremuta, dem frisch gepressten Orangensaft.
    Rüdiger begnügte sich mit Wasser als Getränk, dafür fraß er fünfzehn Brioches und brachte mal wieder seine Umwelt zum Staunen. Um uns herum erstarben die Gespräche, und alle Blicke waren auf das gefleckte Monster gerichtet. Wir kümmerten uns nicht weiter darum und machten uns schließlich gestärkt auf den Rückweg.
    Der Kleinbus war weg. Entweder war ein Teil der Familie zu einem Ausflug aufgebrochen, oder meine Leute waren vor der furchterregenden Anna geflüchtet.
    »Ich muss zur Schule«, erklärte Margherita, schnappte sich einen Ranzen und verschwand.
    Die hatte es gut!
    Rüdiger legte sich im Hof in den Schatten eines Feigenbaums.
    Der Glückliche.
    Jan war mein Bruder. Der musste treu an meiner Seite bleiben.
    Eine Frau kam auf uns zugestapft, klein, stämmig und sehr, sehr wütend.
    Anna.
    Sie starrte mich an, dann spuckte sie auf den Boden. Später sollte ich erfahren, dass dies eine der schwersten Beleidigungen war, die ein Italiener einem anderen Menschen zufügen konnte.
    Herzlichen Dank.
    Zum Glück fand ich die Sabberei im Augenblick nur ein wenig unappetitlich und fühlte mich nicht sonderlich beleidigt.
    Der Blick war da schon schlimmer.
    »Die starrt, als wärst du eine Geißel Gottes«, stellte Jan leise fest.
    Äh … ja.
    »Ein Erdbeben«, schlug er vor. »Oder sieben Jahre Dürre. Oder eine Heuschreckenplage.«
    Ist ja gut.
    »Malaria und Tsunami.«
    »Halt die Klappe«, sagte Anna mit leicht schwäbischem Akzent zu Jan.
    Der verstummte tatsächlich.
    Sie wandte sich an mich. »Du bist Nele.«
    »Ja.« Ganz schön kleinlaut.
    »Und was willst du hier?«
    Mein apulisches Blut geriet langsam in Wallung. »Ich will meinen leiblichen Vater kennenlernen. Ist das etwa verboten?«
    Anna stieß einen drohenden Knurrlaut aus.
    Die sollte sich mal mit Grete zusammentun, dachte ich. Würden ein hübsches Gespann abgeben.
    Rüdiger sprang auf und eilte an meine Seite. Der konnte auch prima knurren. Anna wich einen halben Zentimeter zurück. Dann fischte sie ein paar Plätzchen aus der Tasche und hielt sie ihm vor die Nase. Seine Vorlieben hatten sich schnell herumgesprochen.
    Rüdiger nahm sie artig. Verräter!
    Anna wandte sich wieder mir zu. »Keine Frage, du bist Marcellos Tochter. Du hast seine Augen.«
    Ich sagte nichts.
    »Also noch eine«, stellte Anna fest.
    Mir kam der Verdacht, dass ich womöglich mehr Geschwister hatte, als ich dachte. Vielleicht auch mehr, als Marcello dachte. Offensichtlich hatte er in seiner Jugend den Ruf des Latin Lovers gepflegt.
    »Zu erben gibt es hier nichts«, stellte Anna klar.
    Aha. Deshalb die Feindseligkeit. Die Dame des Hauses fürchtete um den Besitz.
    »Ich will überhaupt nichts von ihm«, sagte ich

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