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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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wie die Lüttjens’ nacheinander mehr oder weniger flott aus dem Wagen purzelten, wurden sie genauestens begutachtet und mit ahnungslosem Kopfschütteln bedacht.
    Bei Irenes Anblick legten sich einige Stirne in nachdenkliche Falten, Rüdiger bekam die übliche Reaktion.
    Ich stieg zufällig als Letzte aus. Plötzlich wurde es still auf dem Vorplatz des Anwesens. Sehr still. Einige Frauen bekreuzigten sich schon wieder.
    Also, ich war noch keine halbe Stunde in Alberobello, aber das konnte ich schon nicht mehr ab.
    »Der Leibhaftige«, murmelte Grete neben mir.
    Danke auch.
    Ein Mann drängte sich vor. Mein Vater. Ich wusste es. Ein tieferes Wissen in meinem Innern erkannte ihn.
    Ach, Quatsch.
    Der Mann rief einfach: » Figlia mia! Meine Tochter!«
    »Woher weiß der das?«, fragte Mama misstrauisch.
    »Schau ihn dir an und nimm zwanzig Kilo und den Bartschatten weg«, antwortete Irene. »Das graue Haar denkst du dir rabenschwarz, dann hast du es.«
    Mama tat wie geheißen, blickte dann von dem Mann zu mir und wieder zurück.
    Ich hätte schwören können, dass ihre rechte Hand schon Richtung Stirn zuckte. Zum Glück erinnerte sie sich im letzten Moment daran, dass sie Protestantin war.

18. So viele Verwandte!
    Marcello Occhipinti kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Wie ein Verbrecher sah er eigentlich nicht aus. Eher wie ein behäbiger Familienvater. Beim besten Willen konnte ich ihn mir nicht als Paten vorstellen, der seinen Feinden Pferdeköpfe ins Bett legte, Angebote machte, die niemand ausschlagen durfte, oder wild um sich schießend durch den Ort der Zipfelmützenhäuser rannte.
    War eher lachhaft, die Vorstellung. Trotzdem wich ich ein Stück zurück und drängte mich in die Mitte meiner Eltern.
    Gut, das hier war jetzt mein leiblicher Vater, aber – hey – konnten wir mal einen Gang runterschalten?
    Papas Brust fühlte sich heute besonders breit und hart an. Ich war kurz abgelenkt. »Hast du unter dem Hemd noch was an?«
    Er kratzte sich verlegen am Haaransatz.
    Mama klärte mich auf. »Dein Holzkopp von Vater hat sich eine kugelsichere Weste besorgt.«
    Papa wurde ein ganz kleines bisschen rot.
    Ich fand das gar nicht so dumm. Hätte mich vielleicht auch beschützter gefühlt mit so einem Ding am Leib. Was wohl Paul sagen würde, wenn ich in Italien erschossen wurde, weil ich nicht an eine kugelsichere Weste gedacht hatte?
    Ach, Blödsinn. Und Paul – an den dachte ich jetzt mal besser nicht. Hätte mich nur traurig gemacht.
    Marcello war jetzt herangekommen. Seine Augen hatten die Farbe von schwarzen Oliven. Genau wie meine.
    »Guten Abend«, sagte ich artig und streckte ihm die Hand hin.
    Er nahm sie, zog mich mit einer einzigen fließenden Bewegung zu sich heran und drückte mich an seine eher weiche Brust.
    »Hoppla«, sagte Papa und zog an meinem anderen Arm.
    »Finger weg!«, schrie Mama. Sie packte auch mit an.
    Da waren beachtliche Kräfte am Werk. Auf einmal fühlte ich mich nicht nur innerlich zerrissen.
    »Aufhören!«, schrie ich und bemühte zur Sicherheit auch noch meinen mickrigen italienischen Wortschatz. » Basta! Aber pronto! «
    War bestimmt nicht korrekt, half aber. Alle drei ließen mich gleichzeitig los, was zur Folge hatte, dass ich hilflos hin und her wankte. Plötzlich stand Rüdiger neben mir und bot mir seinen breiten Rücken als Halt an. Die Italiener wichen ein Stück zurück. Nur Marcello blieb tapfer, wo er war, und reckte sich, damit er über Rüdigers Kopf hinwegschauen konnte.
    »Perdonami«, sagte er.
    Irene übersetzte. »Er bittet dich um Verzeihung.«
    Ich fand, in dem Wort lag eine zentnerschwere Bedeutung, die mein ganzes Leben umfasste.
    »Schon okay«, gab ich zurück.
    Plötzlich kam Leben in die Familie. Marcello klatschte zweimal in die Hände, und alle bewegten sich gleichzeitig. Gestenreich wurden wir hereingebeten. Um jeden von uns wuselten mindestens drei Italiener herum.
    Jan lachte und begann sofort, mit einigen jungen Frauen zu palavern. Soweit ich das verstehen konnte, ging es um den besonderen Glanz in ihren schwarzen Haaren.
    Okay, mein Bruder änderte sich nie.
    Fand ich tröstlich.
    Grete auch nicht. Die schlug gerade mit ihrem Regenschirm auf einen Jungen ein, der ihr eine schwere Einkaufstüte abnehmen wollte.
    »Pfoten weg! Oder ich jage dir eine Ladung Kugeln in den Leib!«
    Mensch, Grete.
    Der Junge, der sie offenbar verstanden hatte, lief schreiend weg.
    Marie folgte still einer kleinen alten Frau, die auch nichts sagte. Mit ihren

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