Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
Vom Netzwerk:
hieß meine andere Oma.«
    Hannerose!
    In beiden Fällen wäre ich meiner Clique außerordentlich dankbar für einen Spitznamen gewesen.
    »Es war eine kluge Entscheidung von dir«, erwiderte ich erleichtert.
    Irene grinste. »Du kannst die Namen ja nachträglich noch annehmen, um deine Herkunftsfamilie zu ehren.«
    »Äh … ja. Darüber denke ich mal nach.«
    Nele Walfriede Hannerose Lüttjens-Küpper-Liebling. Mit so was hätte ich glatt Bundesministerin werden können.
    Irene warf einen Blick auf ihre Cartier-Uhr. »Er müsste eigentlich schon hier sein.«
    »Wer?«, fragte ich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend.
    »Dein Vater. Ich meine, Marcello. Er will mit dir reden.«
    Hm. Vielleicht fragte mal jemand mich, ob ich das wollte? Mein Bedarf an familiären Aussprachen war nach den letzten Tagen gut gedeckt. Konnten wir nicht einfach ein Weilchen hierbleiben, lecker essen und ganz viel von dem blutroten Wein und dem fruchtigen Limoncello trinken? Also, ich für meinen Teil wäre damit vollkommen zufrieden gewesen.
    »Was will er denn von mir?«
    »Das muss er dir schon selbst sagen.«
    »Vielleicht gesteht er mir ja seine zahlreichen Verbrechen.«
    Irene schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
    »Oder er teilt mir mit, dass ich demnächst an einer verfeindeten Familie Blutrache nehmen soll. Vendetta heißt das doch, richtig?«
    Irene tippte sich schweigend mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
    Okay, das hatte ich wahrscheinlich verdient. Prüfend sah ich sie an. Irene wusste mehr, als sie mir verraten wollte. Ich erinnerte mich daran, wie sie gestern Abend lange mit Marcello geredet hatte. Sie kannte die Wahrheit, kein Zweifel. Aber sie war nicht bereit, mir etwas zu verraten. Das sollte Marcello persönlich tun.
    Ob es helfen würde, ihr den Lauf eines Revolvers an die Schläfe zu halten?
    Krieg dich wieder ein, Nele! Nicht immer ist es von Vorteil, die Tochter seines Vaters zu sein. Dann lieber Olafs Tochter. Ruhig und fest im Leben stehend, wie eine sturmerprobte niedersächsische Eiche.
    Mir kam ein anderer Gedanke. »Gestern hat er mich so bedeutungsschwer um Verzeihung gebeten. Wusste er schon immer von meiner Existenz?«
    Irene hob nur die Schultern und sah wieder auf die Uhr. »Wahrscheinlich hat Anna ihn aufgehalten.«
    Ja, klar. Prügelnd, fluchend und knutschend.
    Als es an der Tür klopfte, zuckte ich zusammen. Nein, ich wollte nicht allein mit diesem Mann bleiben! Der war mir doch vollkommen fremd.
    Fremder als ich dachte. Den Kopf, der jetzt hereingesteckt wurde, hatte ich noch nie gesehen.
    Wow!
    Und was für ein Kopf! Klassisches Römerprofil. So hatten einst die Imperatoren ausgesehen. Hundertpro! Er trug zwar Vollbart, aber der stand ihm sogar. Der Rest war auch nicht schlecht. Groß, schlank, sportlich.
    Irene schaute andächtig.
    Ich auch.
    Und dann rissen wir die Augen auf. Da kam noch so einer herein. Vielleicht zehn Jahre jünger als Imperator I, mit schärferen Gesichtszügen und ohne Bart.
    Irene seufzte.
    Ich auch.
    Paul, dachte ich verzweifelt. Wo bist du, wenn ich dich brauche?
    Meinetwegen durfte jetzt auch Marcello kommen. Oder Anna. Sollte die mich ruhig noch mal beschimpfen. Spucken durfte sie auch gern. Mir war alles recht, das mich von dieser doppelten Versuchung ablenken konnte.
    Irene strich sich das Haar zurück, setzte sich kerzengerade hin, streckte die Brust vor und lächelte.
    Ich nicht. Mir brach der Schweiß aus.

20. Kleopatra und Marcus Antonius
    »Marc Aurel«, flüsterte Irene und zeigte unauffällig zu Imperator I.
    »Marcus Antonius«, erwiderte ich mit Blick auf Imperator II.
    Interessant. In Geschichte hatten wir beide offenbar gut aufgepasst, als die Römer durchgenommen wurden. Ich erinnerte mich daran, wie ich tagelang über dem Lehrbuch gehockt und mir die Abbildungen von edlen, in Stein gemeißelten Gesichtern angeschaut hatte.
    Irene anscheinend auch.
    »Guten Tag«, sagte Imperator I freundlich. Kein Stück herrisch.
    Fand ich ein wenig enttäuschend. »Wir sind auf der Suche nach Marcello. In der Küche haben sie gesagt, er wäre hier.« In seinem Deutsch schwang ein Hauch von Ruhrpott mit. Schade.
    Ich beschloss, nicht so pingelig zu sein. Nur für den Fall, dass Imperator II jetzt berlinern würde.
    Tat er aber nicht. Der hatte seine Schulferien eindeutig in Norddeutschland verbracht, denn abgesehen von einem minimal zu scharfem »S« sprach er perfekt.
    »Aber wir wollen die Damen nicht stören.«
    Bitte stört mich!, schrien Irenes

Weitere Kostenlose Bücher