Omega Kommando
nichts wissen von dem gesundheitsschädlichen Müll, den irgendein anderer produzierte.
Die Tatsache, daß sie keine ausgesprochene Nachrichtenjournalistin war, bekümmerte Sandy nicht und würde sie wahrscheinlich niemals bekümmern. Sie war stolz auf ihre Interviewtechnik und froh darüber, nicht mit dem rauhen, peinlich vertraulichen Stil einer Barbara Walters oder dem aufgeblasenen, einstudierten Lächeln der Ansager von Entertainment Today verglichen zu werden. Bei Themen, die Recherchen erforderten, war sie stets dabei und weigerte sich, auf Abruf vor die Kamera zu treten und etwas vorzulesen, das ein anderer geschrieben hatte. Sie gestattete auch nicht, daß ihre Fragen neu gefilmt und zwischen schamlos oberflächliche Interviewbilder geschnitten wurden. Heraus kamen dabei wesentlich spontanere, ehrlichere Interviews, die nicht zuletzt zu der Tatsache beitrugen, daß Sandys Einschaltquoten die höchsten waren, die eine Frau bei einer Nachrichtensendung erzielte.
Dementsprechend empfand Sandy wachsendes Selbstvertrauen. Sie verspürte nicht den Drang, sich auch noch auf dem Gebiet des harten Journalismus per se zu engagieren, sondern beabsichtigte, eine aktivere Rolle in der Themenauswahl und -aufbereitung zu übernehmen.
Und am heutigen Tag damit anzufangen.
Ihr Vertrag über dieses Aufgabengebiet war nicht präzise. Ihr Treffen mit Stephen Shay an diesem Morgen würde die Sache klären. Sie wußte, was sie wollte, und, was noch wichtiger war, wie sie es deutlich machen konnte. Sie würde um jene Story bitten, die sie am meisten interessierte. Sobald sie sie erst einmal hatte, würde die Sache von allein ins Rollen kommen.
Sie war sich bewußt, daß T.J. Brown ihr auf den Fersen folgte, als sie gemeinsam in Shays Büro traten. Sandy nickte der Sekretärin zu, die ihr zulächelte und sofort den Telefonhörer abnahm.
»Sandy ist hier, Mr. Shay.« Sie wandte den Blick zu ihr empor. »Sie können sofort hineingehen.«
T.J. schien an Ort und Stelle erstarrt zu sein.
»Eine kleine Hilfe«, flüsterte Sandy. »Stellen Sie ihn sich einfach nackt vor.«
»Was?«
»Mein Rhetoriklehrer sagte einmal, wenn man eine Rede halten müsse und etwas nervös sei, solle man sich das Publikum nackt vorstellen.«
Das ließ T.J. lächeln, als sie zur Innentür des Büros gingen. »Shay nackt? Ich kann's ja mal versuchen.«
T.J. hatte seinen Abschluß vor drei Jahren auf der Columbia School of Journalism gemacht, als viertbester seiner Klasse und genauso schwarz, wie er bei Beginn seines Studiums gewesen war. Bei den Nachrichtensendern gab es nicht viele Arbeitsstellen für Minderheiten, und so hatte T.J. eine Weile bei Zeitungen und Rundfunksendern gejobbt, bevor er sich bei der damals noch jungen Sendung Overview als Redaktionsassistent bewarb. Die fünf Präsentatoren hatten die über vierhundert Bewerbungen persönlich begutachtet, und besonders Sandy Lister war von T.J. beeindruckt gewesen. Er war für diesen Job eigentlich überqualifiziert, hatte sich aber trotzdem eifrig um ihn beworben. Seine Anstellung war Sandys erste Amtshandlung bei ihrem neuen Sender, eine Entscheidung, die sie keinen Augenblick lang bedauert hatte, selbst, wenn T.J. sie drängte, ihre Themen härter anzufassen und seine eigentliche Aufgabe vernachlässigte, um ihr zu helfen.
Sie trat so leichtfüßig in Stephen Shays geräumiges Büro, wie sie donnerstags abends auch in die Wohnzimmer von Millionen Amerikanern trat.
Shay erhob sich hinter seinem Schreibtisch und kam ihnen entgegen, schüttelte Sandy die Hand und küßte sie leicht auf die Wange.
»Perfektes Timing, San«, sagte er. »Ich habe gerade die Einschaltquoten von der letzten Woche bekommen. Sind um vier Prozent gestiegen.«
Shay war ein gewandter, eleganter Mann, mit perfekt frisiertem, silbergrauem Haar, das ihm bis über die Ohren und leicht in die Stirn fiel. Er zog dreiteilige Anzüge allen anderen Kleidungsstücken vor, und kein Angestellter in der Sendezentrale konnte sich entsinnen, ihn während der Bürostunden jemals ohne Jacke gesehen zu haben. Sein Gesicht wirkte so weich wie das eines Kleinkindes, und er hatte gerade genug Lagerfeld-Aftershave aufgelegt, daß man es den gesamten Tag über roch, ohne den Geruch als zu aufdringlich zu empfinden.
»Ist ja toll«, sagte Sandy ehrlich erfreut. »Steve, ich möchte Ihnen meinen Assistenten T.J. Brown vorstellen.«
Shay schüttelte die Hand, die T.J. ihm reichte. »Thomas Jefferson, nicht wahr?«
Ȁh, ja. Aber wieso
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